Der Apostroph: Wo er hingehört, wo er stört und wo er verboten ist
Ein falscher Apostroph kann teuer werden. So entging dem Hotel Holzschuh’s ein lukrativer Auftrag, weil der Gast keinem Wirt vertrauen wollte, der den Namen seines Hotels nicht schreiben konnte.
Das ist natürlich etwas übertrieben. Wenn Ihnen mal ein falscher Apostroph passiert, merken es die meisten Leute nicht einmal. Also seis drum (oder etwa sei’s drum?). Das ist kein Beinbruch.Hotel Holzschuh(?s?)
Diesen Artikel haben wir vor allem für Schildermacher:innen un Logo-Designer:innen geschrieben. Denn wir finden: Wenn sich jemand eine professionelle Gestaltung kauft, dann soll auch die Rechtschreibung stimmen.
Es gibt nämlich immer einige, die den falschen Apostoph doch bemerken. Die fühlen sich dann zu spöttischen Kommentaren ermutigt. Und das tut dann den Menschen weh, denen nichtsahnend ein falscher Apostroph auf ihr Hotelschild gerutscht ist.
Damit Ihnen solches Ungemach erspart bleibt, kommt es hier: das Einmaleins der Apostrophie. (Dieses Wort hat der Schalk in meinem Hinterkopf gerade frisch erfunden. Bitte keinesfalls Ihrem Deutschlehrer zeigen.)
Lesehilfe
Der Apostroph ist eine Lesehilfe. Er macht sich nützlich, wenn etwas weggelassen wurde. Dann sagt er: «Hier fehlen Buchstaben. Du kannst dir denken welche.»
Meist wird das «e» von «es» eingespart und einfach ein «’s» angehängt:
- Wird es bald? → Wird’s bald / Wirds bald
- So klappt es → So klappt’s / So klappts
- Läuft es? → Läuft’s? / Läufts?
Pflicht sind die Apostrophe in diesen Beispielen aber nicht. Der Duden zum Beispiel empfiehlt, solche Apostrophe wegzulassen. Und weils dem Schriftbild gut tut, verzichten viele gern.
Gedichte
In Texten, die ein Versmass beachten müssen, kommt der Apostroph häufiger vor. Durch das Auslassen einzelner Buchstaben(gruppen) kann oft eine Silbe eingespart oder ein Reim geknüpft werden:
Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll,
Netzt ihm den nackten Fuß;
Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll
Wie bei der Liebsten Gruss.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm,
Da war’s um ihn gescheh’n:
Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
Und ward nicht mehr geseh’n.
(Der Fischer, Johann Wolfgang von Goethe)
Generell gilt: Der Apostroph soll nur gesetzt werden, wenn der ausgelassene Buchstabe tatsächlich vermisst wird. Verkürzte Wortformen und Redensarten, die heute allgemein üblich sind, werden ohne Apostroph geschrieben. Leuchtet ein: Wo keine Lesehilfe gebraucht wird, muss man sie nicht setzen.
- Ich handle (handele) nach dem Gesetz.
- Ich hör (höre) wohl nicht recht?
- Heut (heute) lass (lasse) ich die Sau raus.
- Ruhig (ruhiges) Blut bewahren.
- Ich geh (gehe) jetzt mal da rüber (herüber)
- Kletter da nicht rauf (herauf)!
Das merken wir uns am besten schon mal: Wenn das Wort auch ohne Apostroph leicht verständlich ist, braucht es keine Lesehilfe. Dann können Sie guten Gewissens verzichten (und die Gefahr peinlicher Fehler von vorneherein ausschliessen).
Quo vadis, Apostroph?
Sie sehen: Der Apostroph ist auf dem absteigenden Ast. Wohl auch deshalb, weil 7 von 10 Apostrophe falsch sind. 5 von 10, weil sie gegen die Regeln der Rechtschreibung verstossen und 6 von 10, weil sie typografisch falsch sind.
Sie haben mitgerechnet?
Richtig. Es gibt eine Schnittmenge.
Pflicht: Auslassung am Wortanfang
Üblich ist der Apostroph, wenn am Wortanfang etwas fehlt. Meist handelt es sich dann um ein verkürztes «ein» oder «es»:
- So ’n komisches Restwörtchen versteht ja sonst keiner. Da brauchts echt ’ne Lesehilfe. ’s wirkt sonst wie ’n Druckfehler.
Nebenbei: Der führende Apostroph hat eine weitere Besonderheit. Danach wird auch am Satzanfang kleingeschrieben:
- ’ne richtig tolle Party war das.
Pflicht: Auslassung innerhalb eines Wortes
Werden innerhalb eines Wortes mehrere Buchstaben weggelassen, so wird ein Apostroph gesetzt. Bekannte Beispiele sind die deutschen Städte D’dorf (Düsseldorf) und M’gladbach (Mönchengladbach), die diese Kurzform wohl erhalten haben, weil die Namen ihrer F’ballclubs sonst nicht auf die B’ligatabelle gepasst hätten.
Pflicht: Mit’m Velo auf’n Säntis
Wenn eine Präposition (auf, an, bei, unter, über, von ...) mit einem Artikel (der, die, das, dem ...) verschmilzt, wird das zusammengezogene Wort mal mit und mal ohne Apostroph geschrieben.
Mit Apostroph ist ausschliesslich in diesen 8 Fällen richtig:
- auf’m, auf’n, aus’m, durch’n, für’n, in’n, mit’m, nach’m
Diese Formen werden Sie wohl selten brauchen. Bevor Sie den nächsten Mundartdialog verfassen, können Sie hier ja noch einmal nachschlagen. Allerdings: Für Mundart gilt die amtliche Rechtschreibung nicht.
In allen anderen Fällen verschmolzener Präpositionen und Artikel (am [an dem], im [in dem], ums [um das], übers [über das] …) ist der Apostroph verboten.
Pflicht: Genitiv von Namen auf -s und ähnliche Laute
Bei Namen, die auf -s, -ss, -ß, -tz, -z, -x oder -ce enden und ohne Artikel oder Präposition stehen, wird der Genitiv durch Anhängen eines Apostrophs gebildet.
Wo also das Wortende wie «s» oder ähnlich tönt, wird kein weiteres «s» angehängt. Der Grund: Die Kombination aus aus «s» und «Genitiv-s» könnte mit einem regulären «Doppel-s» verwechselt werden, typografisches Durcheinander auslösen («ßs») oder («xs», «zs») als Zungenbrecher enden.
- Sokrates’ Dialoge sind Quellen tiefer Einsicht.
- Fritz’ Buch über die sokratische Methode hatte Beonce’ Fragen beantwortet.
Wenn der Genitiv aber schon aus dem Artikel oder einer Präposition klar wird, darf kein Apostroph angehängt werden:
- Die Dialoge des Sokrates sind in Platons Schriften überliefert.
- Ich empfehle die Vorlesung von Fritz.
Erlaubt: Apostroph zur Verdeutlichung der Grundform
Zwischen Andrea und Andreas lief es schon lange nicht mehr gut. Seit der Scheidung führt Andrea den Gemischtwarenladen allein weiter. Den Vorschlag mit dem neuen Ladenschild machte ihr Freund Carlo (von Carlo’s Würstchenbude), der so gerne in den Grimm’schen Märchen schmökert.
Nun steht an der Tür: «Andrea’s Gemischtwaren». Damit die Leute gleich merken, dass das der Laden von Andrea ist und nicht etwa vom unbelehrbaren Schürzenjäger Andreas, den sie jetzt ein für alle Mal zum Teufel gejagt hat.
Dagegen kann man wohl nichts haben. Das findet jedenfalls die Duden-Redaktion und erlaubt den Apostroph auch zur Verdeutlichung der Grundform (Andrea, Grimm, Carlo …).
Wäre der Laden an Andreas gefallen, hätte er das Schild mit «Andreas’ Gemischtwaren» beschriften müssen (Apostroph bei Genitiv von Wörtern, die auf «s» enden).
Daher könnte Andrea auf den Apostroph auch verzichten. Wer genau überlegt, kann drauf kommen, dass Besitzverhältnisse im Genitiv stehen («Wessen Laden?»). Und wenn «Andreas» Genitiv ist, ist die Grundform «Andrea». Wir wissen also auch ohne Apostroph, wer nach dem Rosenkrieg den Laden bekam.
Aus genau diesem Grund geisseln einige Schriftgelehrte die Duden-Empfehlung «Andrea’s» und «Grimm’sche» als Verfall der Sitten. Der Apostroph sei ausschliesslich als Auslassungszeichen gedacht und keine Lesehilfe für Deppen, die einen korrekten Genitiv nicht verstünden oder bei Wortbildungen auf -sch den Wortstamm suchen müssten. Der Apostroph in Andrea’s gehöre verboten, weil er den Feinsinn gebildeter Menschen störe und den Ungebildeten keine Hilfe sei.
Da halte ich mich raus. Wie Sie es halten, müssen Sie mit Ihrem Gewissen ausmachen. Im Zweifel einfach anders formulieren. Dann machen auch die Märchen der Gebrüder Grimm keine Probleme.
Die Holzschuhs können sich übrigens nicht auf die Regel mit der Grundform berufen. Bei ihnen ist der Wortstamm auch ohne Apostroph leicht erkennbar.
Verboten: Vor Plural-s von Abkürzungen
Bei sprechbaren Abkürzungen wie AGB, KMU oder GmbH kann der Plural durch Anhängen von «s» gebildet werden. Dann aber ohne Apostroph:
- AGBs, GmbHs, KMUs.
Es lässt sich trefflich streiten, ob solche Wörter überhaupt ein Plural-s bekommen sollen. Wir sagen ja nicht «Ein Unternehmen, zwei Unternehmens»
Oft liest man auch: «Viele KMU haben fehlerhafte AGB». Ganz klar ist die Gemengelage nicht. Tendenziell wird das Plural-s bevorzugt. Aber ein Apostroph ist immer falsch. Warum? Weil kein Buchstabe ausgelassen wird.
Verboten: Bei aufs, fürs ...
Alle gängigen Verbindungen aus Präposition und Artikel werden ohne Apostroph geschrieben, weil sie auch ohne Lesehilfe leicht verständlich sind. Viele von diesen sind so geläufig, dass es Ihnen nie in den Sinn käme, einen Apostroph dazwischen zu klemmen:
am, ans, aufs, beim, durchs, fürs, gegens, im, ins, hinterm, hintern, hinters, überm, übern, übers, ums, unterm, untern unters, vom, vorm, vorn, vors, zum, zur
Verboten: Deutscher Genitiv auf englische Art
Wer nach einem leckeren Burger bei McDonald’s noch auf ein Guinness in Sally’s Pub geht, ist womöglich in England unterwegs. Dort wird der Genitiv nämlich immer durch Anhängen von «’s» gebildet.
Das ist im Deutschen verboten, denken wir, während wir nach einem langen Tag auf den Zermatter Pisten an Harry’s Ski Bar vorbeischlendern. Wir gehen weiter in die nächste Kneipe, weil wirs mit den Apostrophen etwas genauer nehmen.
Über Cindy’s Diner kann man verhandeln. Weil das Lokal sich viel Mühe gibt, einem authentischen «American Diner» zu gleichen, darf es eine Anleihe bei der amerikanischen Rechtschreibung machen.
Und wie ist es bei Harry und seiner Ski Bar? Das kommt darauf an, ob er sein Bier lauwarm und schaumlos oder kühl und mit Blume serviert. Im ersten Fall lassen wir Gnade vor Recht ergehen, im zweiten Fall braucht er ein neues Schild. Bei der Gelegenheit kann er auch das Leerzeichen zwischen Ski und Bar wegrationalisieren. Er schreibt ja auch nicht «Haus Tür» oder «Bier Glas». Ein neues Schild mit der Aufschrift: «Harrys Skibar». Das gefiele mir. Schlicht und ergreifend.
Sobald das erledigt ist, wird er sich nur noch einen Kurzvortrag über typografisch korrekte Apostroph-Zeichen anhören müssen.
Apostroph typographisch
Der korrekte Apostroph sieht aus wie ein hochgestelltes Komma. Oben hat er einen gefüllten Punkt, von dem eine Linie nach unten links abfällt. Das erinnert schwach an eine 9.
Viele Schreibprogramme taugen nichts, wenn es um Apostrophe geht. Auch Microsoft Word macht oft typografische Fehler. Manch einer (so auch Harry) nimmt in seiner Verzweiflung dann einen «Aigu»-Akzent (wie in Céline).
Das fällt den wenigsten Leuten auf. Aber wir haben ja den Ehrgeiz, es genau richtig zu machen.
Wenn Sie typografisch für alle Wechselfälle gerüstet sein wollen, müssen Sie sich mit der ANSI Zeichentabelle anfreunden. Die ist oft die letzte Rettung, wenn es um Zeichen geht, die Ihre Tastatur nicht freiwillig herausrückt. Zum Beispiel diese: ¥, Œ, ©.
Der typographisch korrekte Apostroph hat den ANSI-Wert 0146. Um ihn in ein Word-Dokument einzusetzen, halten Sie die [Alt]-Taste gedrückt, während Sie auf dem Zahlenblock (nicht auf den Zifferntasten oberhalb der Buchstaben) «0146» tippen. Ähnlich lassen sich auch die Guillemets ([Alt]-0171 und [Alt]-0187: «») oder typographisch korrekte Gedankenstriche ([Alt]-0150: – ) setzen.
Das Wichtigste im Schnelldurchlauf
Der Apostroph ist nur in wenigen Fällen vorgeschrieben:
- beim Genitiv von Namen auf -s und bei ähnlichen Lauten: Fritz’ und Urs’ rasanter Konkurs.
- bei der Auslassung am Wortanfang: ’ne fesche Braut hat ihm ’s Herz geklaut.
- bei der Auslassung von Buchstabengruppen innerhalb eines Wortes: Mit dem Bähnli von D’dorf nach M’gladbach.
- bei schwer lesbaren Verbindungen aus Präposition und Artikel: Mit’m Velo auf’n Säntis.
Erlaubt, aber nicht vorgeschrieben ist er:
- zur Verdeutlichung des Wortstammes bei Namen: In Andrea’s Gemischtwarenladen fand ich eine Erstausgabe der Grimm’schen Märchen.
- als Lesehilfe bei Buchstaben-Auslassungen: War’s schön? Ist’s gut.
Sonst ist er fast immer falsch.
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Danke.
Das wars für heute.
Herzliche Grüsse
Matthias Wiemeyer