Kein einziges Jobangebot.
Und dann war die Unterstützung vom RAV zu Ende. Ruedi stand vor einem Scherbenhaufen.
Jetzt hat er wieder einen Job.
Heute erzählen wir seine Geschichte. Bestimmt können auch Sie daraus etwas für Ihre Bewerbungen mitnehmen. Wir beginnen mit den wichtigen Prinzipien für eine gute Bewerbung. Und dann zeigen wir Ihnen, wie diese Prinzipien bei Ruedi den entscheidenden Unterschied gemacht haben.
In Etappenzielen denken
Was können Sie tun, damit Ihre Bewerbung ernst genommen wird? Damit sie in der Personalabteilung nicht untergeht? Damit sie neugierig auf Sie macht und Ihnen eine Einladung zum Gespräch verschafft? Sie müssen eine interessante Geschichte erzählen. Eine, von der der Personalfachmann oder die Personalfachfrau auf der anderen Seite die Fortsetzung live erleben will.
Genau das ist die Aufgabe eines jeden Bewerbungsschreibens: Neugierig zu machen auf den Menschen, der dahinter steckt und beim Empfänger die Vorstellung zu säen: «Passt doch eigentlich recht gut.»
Wer liest Ihren Brief?
Damit das klappt, müssen Sie zuerst die Perspektive wechseln. Für Bewerbungstexte gilt, was für alle Texte gilt: Sie schreiben sie nicht für sich, sondern für den Empfänger. Versetzen Sie sich in die Situation des Briefempfängers. Das ist oft ein Mitarbeiter in einer Personalabteilung, der parallel ein halbes Dutzend Stellen zu besetzen hat und dazu noch andere Aufgaben in der Personaladministration erledigen muss.
Nehmen wir an, auf ein Inserat gehen 200 Bewerbungen ein. Das ist bei interessanten Jobs in guten Unternehmen keine Seltenheit. Stellen Sie sich den armen Personaler vor, wie er morgens ins Büro kommt. Der Stapel mit den Bewerbungen reicht ihm bis zur Brust. Das soll er alles lesen. Die Wahrheit ist: Er kann gar nicht alle Bewerbungen lesen. Er würde niemals fertig.
Je nach Stelle wird er kaum mehr als ein Dutzend Bewerbungen sorgfältig lesen. Rechnen Sie damit, dass er Ihre Bewerbung zunächst nur querliest. Ihre erste Bürgerpflicht ist es, dem Personaler keinen Grund zu liefern, Sie in der ersten Runde abzulehnen. Wenn Ihnen das gelingt, sind Sie im Halbfinal. Das ist das erste Etappenziel. Von da aus kommen Sie hoffentlich weiter ins Final: zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch.
So überstehen Sie die Vorrunde
Zunächst die Pflicht. Dabei gehts um Sorgfalt und Fleiss:
- Ihr Brief muss grammatikalisch korrekt sein und darf keine Tippfehler enthalten.
- Die Adresse auf dem Anschreiben muss genau dem entsprechen, was in der Stellenanzeige verlangt wird. Oft ist auch noch eine Bewerbungsnummer oder Abteilung angegeben.
- Meist ist auch ein Ansprechpartner genannt. An den sollten Sie Ihr Anschreiben richten. Wenn Sie den Ansprechpartner nicht kennen, lohnt es sich, telefonisch nachzufragen. «Sehr geehrte Damen und Herren» ist eine Notlösung.
- Wenn Ihnen Unterlagen bei Absagen zurückgeschickt wurden, können Sie die Zeugniskopien und andere Belege wieder verwenden. Aber nur, wenn die Unterlagen noch frisch aussehen.
- Ihre Bewerbung muss übersichtlich und vollständig sein. Beginnen Sie beim Lebenslauf in der Gegenwart. Ihre letzte Position sollte bei der Berufserfahrung oben stehen. Anschreiben und Lebenslauf brauchen ein übersichtliches Layout. Dann findet der Personaler sich schnell zurecht.
- Und wenn bei der Ausschreibung eine Handschriftprobe, Ihr aktuelles Jahreseinkommen oder ein Referenzgeber verlangt werden: Dann liefern Sie das Verlangte. Unvollständige Bewerbungen landen auf dem Absagestapel.
Kommunikation von Mensch zu Mensch
Beim ersten Durchsehen wird der Personaler Ihre Angaben noch nicht im Detail studieren. Aber die Tonalität, in der Ihr Brief verfasst ist, gibt ihm einen ersten Eindruck.
Tönt Ihr Anschreiben wie ein Serienbrief, den Sie auch für 30 andere Bewerbungen benutzen? Tönt es verzweifelt, weil Sie schon 50 Absagen hatten? Tönt es zu forsch oder arrogant? Oder wirkt die ganze Bewerbung souverän und professionell? Kommunikation von Mensch zu Mensch. Das kommt gut an. Stellen Sie sich auf Ihr Gegenüber ein. Schreiben Sie einen wirklich individuellen Brief, der rasch zeigt, wer Sie sind.
Verlassen Sie sich nicht auf Ihr eigenes Gespür. Sie sind vielleicht «zu nah dran» oder durch die Strapazen der Jobsuche angespannt. Fragen Sie einen Menschen in Ihrem Umfeld, wie Ihr Schreiben klingt. Bitten Sie um ehrliches Feedback. Es hilft Ihnen nicht, wenn Ihr «Lektor» um den heissen Brei herumredet.
Positive Gedanken suchen
Egal wie schlecht es in der letzten Zeit für Sie gelaufen ist: Kratzen Sie ein bisschen Zuversicht zusammen, bevor Sie den nächsten Brief schreiben. Wenn Sie nur noch dunkle Wolken im Kopf haben, suchen Sie sich einen Gesprächspartner, der Sie aus besseren Zeiten kennt.
Sprechen Sie mit ihm oder ihr über Ihre früheren Erfahrungen, Leistungen und Erfolge. Und hören Sie zu, wie Ihre Leistungen gerühmt und Ihre Talente geschildert werden. Konzentrieren Sie sich auf diese Sätze. Sie helfen Ihnen, Rückschläge zu verkraften und die nächste Bewerbung mit frischem Mut anzugehen.
Ihre Geschichte erzählen
In Ihrem Anschreiben (und auch im Lebenslauf) nehmen Sie dazu Stellung, welche Fähigkeiten Sie für die ausgeschriebene Stelle qualifizieren. Aber liefern Sie nicht einfach einen Katalog mit guten Eigenschaften ab. Stellen Sie eine Verbindung zwischen Ihren Erfahrungen und den Anforderungen der neuen Stelle her.
Der erste Satz
Bereit zum Starten? Dann brauchen Sie einen ersten Satz.
Aber nicht so einen lahmen wie diese beiden:
- Ich beziehe mich auf Ihr Inserat vom 8. September, in dem Sie eine engagierte Office-Managerin in Teilzeit (60%) suchen.
- Hiermit bewerbe ich mich um die offene Stelle als Office Managerin.
Fangen Sie Ihren Brief nicht mit einer lahmen Floskel an. Fangen Sie ihn auch nicht mit einer Information an, die der Empfänger schon kennt. Oder mit dem Satz «Hiermit bewerbe ich mich auf die offene Stelle als …».
Auf welche Stelle Sie sich bewerben, steht hoffentlich in der Betreffzeile Ihres Anschreibens. Die beiden Beispielsätze sind für Bewerbungsschreiben typisch. So beginnt jede zweite Bewerbung. Machen Sie es anders. Nutzen Sie Ihre Chance auf einen bemerkenswerten ersten Eindruck. Schon Ihr erster Satz soll zeigen, wer Sie sind und eine entscheidende Fähigkeit ins rechte Licht setzen.
Tipp zum Starten: Interessante Details
Statt mit abgestandenen Floskeln, beginnen Sie lieber mit einem interessanten Detail. Das kann Ihr letzter Job sein, in dem Sie eine Fähigkeit bewiesen haben, die für die neue Stelle wichtig ist. Oder Sie erzählen eine kurze Geschichte, in der man Sie in Aktion erlebt. Oder Sie nehmen ein Detail aus Ihrem Leben, das Ihre Talente und Neigungen sichtbar macht:
- Ich kann gut, was Vielen schwerfällt: Pendenzen fest im Blick behalten, Kunden gut gelaunt bedienen und den Papierkram souverän erledigen.
- Als ich vor drei Jahren den Aussendienst für die Ostschweiz übernahm, hatten wir erst einen Kunden. Inzwischen sind es 86 und zum Jahresende sollen es 100 sein.
- Ich mag Hektik. Wenn das Weihnachtsgeschäft losgeht, die Grippewelle zuschlägt und die Handwerker im Haus sind, laufe ich zu Höchstform auf.
- Schon als Kind wollte ich Gärtner werden. Es fing an, wie es immer anfängt: Mit Erdbeeren. Und dann kamen Karotten, Radieschen und natürlich alles Blühende dazu.
Wenn Sie diese Beispiele lesen, kommen Ihnen vielleicht Zweifel. Vielleicht denken Sie: «Das ist so anders als alles andere,das traue ich mich nicht.» Oder Sie denken: «So kann ich nicht schreiben.»
Mut zur Lücke und zur eigenen Stimme
Sie können die Beispielsätze nicht einfach übernehmen. Aber das Prinzip können Sie beherzigen: Zeigen Sie Persönlichkeit und meiden Sie Floskeln. Das ist auf jeden Fall richtig. Wie weit Sie es treiben wollen, sagt Ihnen Ihr Gefühl. Entscheidend ist, dass Sie nicht weiterhin Sätze verzapfen, die bislang schon nichts gebracht haben. Nutzen Sie meine Anregungen, um Ihren Anschreiben eine Frühjahrskur zu verpassen.
Und wenn Sie meinen, diese lockeren, originellen Formulierungen hätten Sie einfach nicht drauf, dann hören Sie sich selbst mal zu, wenn Sie einem Freund von den letzten Ferien erzählen. Oder von dem Verkehrsunfall, in den Sie beinahe hineingerauscht wären.
Sie können so erzählen, dass andere gebannt zuhören. Diese Fähigkeit müssen Sie abrufen und für Ihren Bewerbungsbrief einsetzen.
Sie können Ihre Geschichte gut erzählen
Vielleicht müssen Sie Ihr Geschichtenerzählertalent erst abstauben und ein paar mentale Kniebeugen machen. Aber dann fallen Ihnen sicher ein paar spannende Sätze ein. Überlegen Sie zuerst, welche Ihrer Eigenschaften oder Erfahrungen Sie nach vorne stellen wollen. Und dann denken Sie nach:
In welchen konkreten Situationen haben Sie diese Fähigkeiten schon einmal gezeigt? Unterhalten Sie sich mit einem Freund oder Ihrem Partner darüber. Zu zweit wird Ihnen sicher etwas einfallen; eine kleine Szene, die die Fantasie anregt und die Botschaft ans Ziel bringt.
Das wird nicht auf Anhieb klappen und vielleicht müssen Sie feilen, bis alles passt. Aber das ist es wert. Betrachten Sie es mal aus dieser Warte: Statt 10-mal eine halbe Stunde aufzuwenden, um 10 nichtssagende Bewerbungen zu verfassen, investieren Sie lieber einmal 5 Stunden, um einen Text zu produzieren, der den Empfänger umhaut.
Das tut nicht nur Ihrer Bewerbung gut. Wenn Sie so anschaulich und positiv über sich selbst nachdenken, verändert sich Ihre Einstellung.
Und wenn Sie dann im Vorstellungsgespräch sitzen, werden Sie kompetenter und souveräner wirken. Unter anderem deshalb, weil Sie sich schon so sorgfältig überlegt haben, welche Aspekte Ihres Lebenslaufes aus welchen Gründen genau zu dieser Stelle passen. Mit diesen Vorübungen gelingt Ihnen bestimmt ein eindrucksvoller erster Satz. Einer, der direkt zur Sache kommt und Ihnen den ersten Pluspunkt verschafft.
Was passt zu diesem Job?
Nun gehts weiter im Text. Welche zusätzlichen Eigenschaften qualifizieren Sie für die ausgeschriebene Stelle, was macht Sie sympathisch, was weckt die Neugierde, Sie kennenzulernen? Versuchen Sie nicht, 20 Argumente auf einmal zu bringen. Sie müssen ein markantes Profil entwickeln, das im Gedächtnis bleibt. Das geht nur, wenn Sie sich auf wenige, für diese Bewerbung entscheidende Inhalte beschränken.
Mit Geschichten verführen
Zählen Sie nicht einfach Ihre guten Eigenschaften auf. Wie schon beim Eingangssatz: Verpacken Sie Ihre Qualitäten in kleine Geschichten.
Hier sehen Sie wieder ein paar schlechte Beispiele:
- Ich habe 5 Jahre Erfahrung als Call-Center-Agent bei Hygrola AG, davon 2 Jahre als Teamleiter.
- Ich bin teamfähig, lösungsorientiert und kreativ.
- Meine Kernkompetenzen sind Kundenorientierung, Leistungsbereitschaft und Enthusiasmus.
Was daran schlecht ist?
Das alles sind tote Sätze. Sie lösen beim Empfänger keine Bilder aus. Sie senden eine blasse Botschaft an seinen Verstand, die kein emotionales Echo auslöst. Und sie sind durch nichts belegt.
Der Personaler weiss ja, dass Sie den Job gerne hätten. Daher geht er davon aus, dass Sie die benötigten Charaktereigenschaften einfach von sich behaupten werden; selbst wenn Sie sie gar nicht haben. Viel überzeugender und glaubwürdiger ist es, wenn Sie konkrete Belege für die Eigenschaften anbringen.
Schauen Sie sich mal meine Gegenvorschläge an:
- Vor 2 Jahren habe ich ein Issue Tracking System eingeführt und wurde dann Teamleiterin im Call Center.
- Wenn Konflikte das Projekt blockieren, spreche ich erst einzeln mit den Beteiligten und bringe sie dann an einen Tisch.
- Am Ende bezahlen die Kunden mein Gehalt. Und so behandle ich sie auch.
Sie sehen: Hier wird jeweils ein persönliches Merkmal lebendig. Die Erfahrungen im Callcenter sind anschaulicher, weil eine konkrete Leistung aufscheint. Der Leser erkennt Ihre Teamfähigkeit, weil Sie ihm ein konkretes Beispiel liefern. Streng genommen sind das auch keine Belege. Aber wer so schreibt, dem nimmt man ab, dass er über das Thema nachgedacht hat; und dass ihm etwas einfällt, wenn es darauf ankommt.
Der Schlussakkord
Nachdem Sie für Ihre Qualifikationen schlagkräftige Formulierungen gefunden haben, kommen Sie irgendwann zum Schluss.
Sie wollen diese Stelle unbedingt. Vielleicht sind Sie schon etwas verzweifelt, weil Sie in der Vergangenheit mit Ihren Bewerbungen Pech hatten. Dieses Gefühl müssen Sie beiseiteschieben. Ihr neuer Arbeitgeber will keinen Griesgram einstellen. Er sucht selbstbewusste, engagierte, zuversichtliche Mitarbeiter. Und so soll auch ihr Schlusssatz klingen.
Also lieber nicht:
- Ich hoffe, dass meine Bewerbungsunterlagen Sie überzeugen konnten und wäre Ihnen für eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch sehr dankbar.
Sie müssen nicht um einen persönlichen Gesprächstermin bitten. Der Personaler weiss auch so, dass Sie das wollen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Und Selbstverständlichkeiten müssen Sie in Ihrem Brief nicht schreiben. Nutzen Sie den Platz lieber, um noch etwas Persönlichkeit zu zeigen oder ein letztes Detail anzufügen. Oder schreiben Sie kurz und schmerzlos:
- Ich freue mich auf Ihre Reaktion.
Aus dem richtigen Leben: der Fall Ruedi Schüssler
Wenn Sie glauben, das funktioniere alles nur, wenn man jung, hübsch und bestens qualifiziert ist, dann irren Sie sich.
Ruedi Schüssler war über 50 und hatte nie eine Berufsausbildung abgeschlossen. Zwölf Jahre lang war er bei seiner letzten Arbeitsstelle beschäftigt. Dort waren sie immer sehr zufrieden mit ihm. Er ist ein handwerklicher Tausendsassa. Aber ohne Diplom. Das wurde ihm zum Verhängnis, als er mit Anfang 50 seine Stelle verlor, weil der alte Arbeitgeber pleiteging.
Als ich Ruedi kennenlernte, war mir sofort klar: Wenn er es schafft, zu einem Vorstellungsgespräch zu kommen, werden die Leute ihn sofort mögen. Und wenn er einfach erzählt, was er alles schon gemacht hat, werden sie ihm seine handwerklichen Fähigkeiten glauben. Dann wird der fehlende Abschluss kein Hindernis sein. Dies ist übrigens ein echtes Beispiel. Ich habe nur den Namen des Bewerbers und des Arbeitgebers und ein paar nebensächliche Details verändert.
Hoffnung für die «Guten»
Diese Fallstudie soll Ihnen Mut machen, wenn Sie etwas können, aber bislang an den Vorurteilen anderer Menschen gescheitert sind. Ruedi hat mit seiner optimierten Bewerbung die Chance auf ein Gespräch erhalten. Und weil er als Person überzeugt hat, bekam er den Job. Er hatte viele gute Eigenschaften; aber die wurden vorher einfach nicht bemerkt. Wir haben ihm geholfen, im rechten Licht gesehen zu werden.
Einem arbeitsscheuen Säufer mit Hang zur Besserwisserei hätte die beste Bewerbung nicht zu einem Job verholfen. Der wäre im Vorstellungsgespräch oder in der Probezeit aufgeflogen. Aber für die Vielen, die etwas können, aber nicht gesehen werden, ist Ruedis Beispiel Grund zur Hoffnung.
So wollte er es versuchen
Schauen wir uns mal an, wie Ruedi sich bewerben wollte. Es ging um eine Stelle als Hausmeister bei einer regionalen Wohnungsbaugesellschaft. Ein handwerklicher Allrounder wurde gesucht, der viele alltägliche Service- und Reparaturarbeiten selbst erledigen konnte.
Als Ruedi mir sein Anschreiben zeigte, fielen mir zuerst die merkwürdigen blau-rosa Balken auf. Eine kreative Entgleisung ohne Erklärungsnutzen. Weg damit.
Auch sonst kann ich mich für den Brief nicht erwärmen. Die wichtigsten Gründe:
- Der Einleitungssatz ist eine schwammige Anhäufung leerer Worthülsen.
- Der Staplerschein und das Volontariat haben im Anschreiben für diese Stelle nichts verloren. Im Lebenslauf darf Ruedi sie erwähnen. Aber ins Anschreiben gehören nur Qualifikationen, die für die ausgeschriebene Stelle wichtig sind.
- Es folgt ein weiterer Absatz mit inhaltsarmen Behauptungen zur eigenen Persönlichkeit. Solche Sätze lesen Personaler jeden Tag hundert Mal. So etwas nehmen sie schon nicht mehr wahr.
- Die handwerklichen Fähigkeiten, die für den Arbeitgeber das Wichtigste sind tauchen nur ganz am Rande im dritten Abschnitt auf.
Kein Wunder, hat Ruedi in den letzten zwei Jahren keinen Job gefunden.
So hat er es geschafft
Wir haben Ruedi die Leviten gelesen und ihm ungefähr das erzählt, was Sie bis hierher schon gelesen haben.
Dann hat er sich ein paar Tage zurückgezogen und eine ganz andere Bewerbung ausgebrütet. Ein kleines Bisschen haben wir am Schluss geholfen.
So sah die neue Bewerbung aus:
Die ist natürlich viel besser. Die Gründe im Einzelnen:
- Ruedi war durch eine Mitarbeiterin im suchenden Unternehmen auf die offene Stelle aufmerksam geworden. Diese Mitarbeiterin kennt ihn gut. Diesen Vorteil nutzt er ganz zu Anfang.
- Statt die Positionsbeschreibung aus dem Inserat zu wiederholen, schreibt er, was seiner Meinung nach das Wichtigste Wenn der Personaler das liest, denkt er: Der hat verstanden, worum es geht.
- Dann war das schwierigste Problem zu lösen: Wer glaubt ihm ohne Zeugnisse seine Fähigkeiten?
Auch in solchen Fällen hilft es, eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die vorführt, wie es zu den Fähigkeiten kam und wie sie in der Vergangenheit schon aufgeleuchtet sind. So eine Geschichte wird erst einmal geglaubt. - Und dann beschreibt er noch, wie er viele Jahre lang in einer Ferienanlage einen ähnlichen Job innehatte. Er bringt interessante Details, die das Besondere der letzten Stelle anschaulich und seine Schilderung glaubwürdig machen.
- Ruedi war zwischenzeitlich so verzweifelt, dass er versucht hat, die Fotografie zum Beruf zu machen. Er hat es sogar zu einem Volontariat gebracht. Diese Episode erwähnt Ruedi zum Schluss. Der Personaler sieht ja, dass er seit einigen Jahren keine Stelle mehr hat. Und weil das ein auffälliges Merkmal seines Lebenslaufs ist, hilft es Ruedi, dazu eine Erklärung zu geben.
Auf diese Bewerbung erhielt Ruedi eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Und ein paar Wochen später hatte er seinen ersten Arbeitstag.
Mit Rückenwind ins Ziel
Es war sicher auch Glück dabei, dass es auf Anhieb geklappt hat. Die gute Bewerbung allein hätte vielleicht nicht gereicht. Seine Bekanntschaft mit einer Mitarbeiterin aus dem Unternehmen hat Ruedi sehr geholfen.
Wer unter erschwerten Bedingungen eine neue Stelle sucht, braucht oft ein Quäntchen Glück, damit es klappt. Das kann ich Ihnen nicht verschaffen. Aber meine Empfehlungen helfen Ihnen, Ihre Karten gut zu spielen. Und weil Sie nun ein paar Dinge anders machen als früher, können Sie auch wieder Hoffnung schöpfen.
Eine richtig gute Bewerbung ist wie eine Motorradeskorte, die Ihrer Limousine vorausfährt. Sie macht den Weg frei für Ihren grossen Auftritt. Und wenn Sie sich sorgfältig und positiv vorbereitet haben, werden Sie im Vorstellungsgespräch auch eine bessere Figur machen. Weil Ihnen mehr einfällt, Sie einen guten ersten Eindruck gemacht haben und Ihr Gegenüber Ihnen mit mehr Verständnis und Sympathie begegnet.
Das Wichtigste im Schnelldurchlauf
Wenn auch Sie Ihre nächste Bewerbung etwas anders angehen möchten, fasse ich hier noch einmal meine Tipps zusammen:
- Konzentrieren Sie sich auf Stellenangebote, die sehr viele von den Fähigkeiten benötigen, die Sie glaubwürdig behaupten können. Ruedi hat sich nicht als Nachtportier, LKW-Chauffeur oder Landschaftsgärtner beworben. Er ist seine Berufserfahrung durchgegangen und hat auf das Thema gesetzt, bei dem er die grössten Erfahrungen nachweisen kann.
- Überlegen Sie sich, welche Fähigkeiten Sie aus Ihrer Lebensgeschichte glaubwürdig belegen können. Wie Ruedis Beispiel gezeigt hat, muss nicht für jede dieser Fähigkeiten ein Zeugnis vorliegen. Aber wenn Sie welche haben, umso besser.
- Statt Ihre Fähigkeiten nur zu behaupten oder eine lange Liste mit Wörtern wie «teamfähig», «Organisationstalent» oder «Kundenorientierung» aneinanderzuhängen, zeigen Sie in kleinen Geschichten, wie sich diese Fähigkeiten bemerkbar machen.
- Lesen Sie jede Annonce ganz genau. Lesen Sie auch zwischen den Zeilen. Bis Sie sich ganz genau vorstellen können, was für eine Person gesucht wird. Aus diesem Bild isolieren Sie die drei bis vier entscheidenden Merkmale. Wenn diese Merkmale zu Ihnen passen, bewerben Sie sich.
- Suchen Sie zu jedem Merkmal einen passenden Beleg: frühere Berufserfahrungen, Abschlüsse oder «nur» eine interessante Geschichte. Aus diesen Belegen bauen Sie ein Anschreiben, das zweifelsfrei nachweist, wie gut Sie auf die Stelle passen.
- Verwenden Sie nie zweimal das gleiche Anschreiben. Sie können ein paar gute Formulierungen wiederverwenden. Aber jedes Anschreiben muss auf die konkrete Stelle hin optimiert werden.
- Machen Sie einen Bogen um ausgelatschte Floskeln. Ihr Brief muss nach Ihnen tönen. Eine gute Faustregel ist: Ein Satz, den Sie niemals sagen würden, gehört auch nicht in Ihre Briefe.
- Und zu guter Letzt: Sorgen Sie dafür, dass alles auch korrekt ist. Schlafen Sie drüber, lesen Sie sich Ihren Brief laut vor und lassen Sie jemand anderes gegenlesen.
So wird das was. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Zu guter Letzt: Helfen Sie uns und teilen Sie diesen Artikel in den sozialen Medien oder per E-Mail. Wir haben kaum Budget für Werbung und sind auf Empfehlungen angewiesen.
Danke.
Das wars für heute.
Herzliche Grüsse
Matthias Wiemeyer