Gabi und Lotta im verzauberten Garten
Wie Lotta Gabi kennenlernt, verzaubert wird und auf einmal merkt, dass Grossvaters Garten eigentlich ein Zaubergarten ist.
Violetta Gassmann
Gabi und Lotta im verzauberten Garten
Lotta sass allein auf der weiss-grün gestreiften Hollywoodschaukel im Weidenpavillon, der im Garten ihrer Grosseltern stand. Ein wenig traurig leckte sie an einem Eis und liess ihre Füsse baumeln.
Die ältere Cousine Lena war in der Schule, Papa redete auf dem Sitzplatz mit einem Freund, Grossmutter war in der Küche, und der Grossvater arbeitete so streng im Garten, dass er das Reden vergass. Nicht einmal die Katzen Mimi, Bärli und Dixi waren da.
Auf einmal hörte sie ein feines Stimmchen: „Darf ich auch mal an deinem Eis schlecken?“
Bevor Lotta etwas sagen konnte, sprang ein kleines, dunkles Mädchen mit einer komischen Pilzmütze vom Weidendach direkt auf die Hollywoodschaukel und leckte das halbe Eis weg. „Ich bin Gabi, das Glückskind, und du bist Lotta aus New York mit den vielen Wolkenkratzern. Stimmt doch, oder? –
Ich wohne mit meinem Vater in diesem Garten, und wenn du mich noch mal am Eis schlecken lässt, erzähle ich dir noch mehr von uns und spiele mit dir, solange du hier in den Ferien bist.“
Lotta nickte nur, und Gabi erzählte weiter.
„Also, ich und mein Vater, der König Karl, wir wohnen im Gartenschloss. Es ist verwunschen, und du kannst es nicht sehen. Bei uns wohnen noch der Zauberer Max, der Baumelf Benno mit der Waldfee Wilma und Zino. Er ist ein kleiner, lustiger Zwerg.
Wir sind wie eine Familie. Manchmal helfen wir deinem Grossvater ein wenig. Er arbeitet so viel, weil er möchte, dass der grosse Garten ganz schön wird für dich.
Benno sitzt meistens in der Linde, er kennt alle Bäume und schaut, dass sie gut wachsen.
Wilma hütet die Pflanzen, am liebsten hat sie Moos und Gebüsche, schliesslich ist sie eine Waldfee. Zino ist ganz fleissig und arbeitet meistens mit Grossvater, auch wenn der nichts davon merkt. Und ich bin ein Glückskind und ertrage es nicht, wenn jemand auch nur ein wenig traurig ist, und esse am liebsten Glacé. Meinst du, wir könnten noch ein Eis teilen?“
„Ja sicher, ich hol noch eins“, stotterte Lotta. Sie war ganz durcheinander.
Schnell ging sie in die Küche zu Grossmutter und bat um ein Glacé.
„Wie viele waren es denn heute schon?“
„Eines“, schwindelte Lotta. Also gut, das ist aber das letzte heute, lachte die Grossmutter und holte einen neuen Eisstängel.
Lotta verschwand damit im Garten und setzte sich zu Gabi auf die Schaukel.
Als sie mit dem Eis fertig waren, sagte Gabi:
„Nun gehen wir in unser Schloss. Du musst wissen, dass du dich verneigen musst vor meinem Vater, er ist schliesslich ein König, und auch vor seinem Freund, dem Zauberer.
Mach die Augen zu, bis ich dir sage, du sollst sie wieder öffnen, und gib mir die Hand.“ Lotta hatte das Gefühl, Gabi führe sie im Kreis herum. Aber tapfer hielt sie ihre Augen zu.
„Aufmachen, wir sind da.“
Lotta nahm ihre Hände von den Augen und stand in einem grossen, wundervollen grünen Saal. Der Boden und die Wände waren mit Moos bedeckt, Abertausende von Wassertropfen glitzerten wie Kristalle, beleuchtet von ein paar Sonnenstrahlen und unzähligen Glühwürmchen.
Ein paar Grillen machten Musik.
König Karl sass auf seinem Thron, auch der war mit Moos gepolstert. Er trug einen roten Samtmantel mit einem Pelzkragen und hatte freundliche Augen. Neben ihm stand der Zauberer mit einem violetten Mantel und einem grossen schwarzen Hut. Er machte ein wichtiges Gesicht, das nahm aber niemand ernst, weil er so viele lustige, schwarze Sommersprossen hatte.
„Hallo Papa.“
„Hallo Gabischatz, mein Glückskind. Wen bringst du denn da mit?“
„Das ist Lotta aus Amerika. Sie ist hier bei Grossvater in den Ferien.“
„Aha, guten Tag Lotta“, sagte der König.
Lotta verneigte sich nun. Dann nahm sie Gabis Hand und hielt sie fest, denn ein wenig unheimlich war ihr schon. „Du musst keine Angst haben“, wisperte Gabi Lotta ins Ohr. „Jetzt wirst du gleich ein wenig verzaubert, damit du die Feen, die Elfen und die Zwerge sehen kannst und verstehst, was sie sagen. Mach wieder die Augen zu und knie nieder.“ Gehorsam schloss Lotta die Augen und kniete sich hin. Es wurde ihr schwindlig und feierlich zumute, als sie spürte, wie der Zauberer mit seinem Stab so stark über ihrem Kopf wedelte, , dass es windete.
„Du kannst aufstehen und schauen. Aber sprich mit niemandem darüber, dass du uns sehen und hören kannst, sonst werden wir sofort wieder unsichtbar. Versprochen?“
Da öffnete Lotta ihre Augen und nickte ernst. Und staunte.
Viele kleine Elfen und Zwerge waren im Saal und huschten eifrig um den König und den Zauberer herum.
„Das sind unsere Diener.“
Lotta verneigte sich noch einmal. Dann wurde sie von Gabi aus dem Saal gezogen.
„Komm, ich zeig dir Benno. Er ist der Chef der Elfen. Erschrick nicht, er hat eine laute, tiefe Stimme und ist sehr gross. Ich glaube, er sitzt ganz oben in der Linde.“
Die beiden Mädchen gingen durch den Garten. Er dünkte Lotta viel tiefer und geheimnisvoller als vorher.
Viele kleine Elfen und Zwerge wuselten herum, wisperten und sangen.
„Ob die Englisch können?“ „Sag doch mal was, die können sicher sogar Amerikanisch. Ich versteh dich ja auch.“ Doch Lotta war zu schüchtern. „Vielleicht probier ich’s morgen“, meinte sie.
Unter der Linde rief Gabi: „Hallo, Benno, ich bring dir Lotta, sie möchte dich kennenlernen.“ Benno sass gemütlich in der Baumkrone und ruhte sich aus. Er war tatsächlich ganz lang und dünn und hatte ein grünes Gewand aus Blättern an, sein Gesicht war so braun und runzlig wie der Stamm. „Hallo, Lotta, schön, dass du uns nun sehen kannst“, sagte er so laut, dass dem Mädchen vor Angst die Worte im Mund stecken blieben.
Sie war froh, als Gabi sie an der Hand nahm, und nickte Benno zum Abschied zu.
„Komm, ich zeig dir noch Wilma, sie ist ganz freundlich. Sicher ist sie bei den Büschen im Brunnengarten.“ Und wirklich stand neben dem Brunnen eine wunderschöne Fee mit langen, blonden Haaren und einem hellgrünen Gewand aus jungen Farnblättern, leicht wie Spitzen. Sie tauchte ihre Hände ins untere Brunnenbecken und begrüsste Lotta mit ihrer feinen Stimme. Sie sagte fast dasselbe wie vorher Benno: „Guten Tag, du liebes Kind, wie schön, dass du uns nun kennst. Du kannst mich jeden Tag besuchen kommen, dann zeige ich dir die Blumen und die Käfer und die Schmetterlinge.“
„Adieu, Wilma, wir gehen weiter. Lotta muss noch Zino kennenlernen, er ist sicher bei Grossvater am Arbeiten.“
Die beiden Mädchen gingen an der Schaukel vorbei über die kleine Wiese zu den Beeten. Ein lustiger, winziger Mann mit einer Zipfelmütze und einer Gärtnerschürze stand neben Grossvater. Er half mit seiner kleinen Hacke beim Jäten und rückte ab und zu eine Pflanze zurecht. Als er Lotta und Gabi sah, schwieg er, aber er zwinkerte und machte Grimassen und musste ein wenig kichern. „Schade, dass Grossvater Zino nicht sehen kann“, dachte Lotta.
Da Gabi Gedanken lesen konnte, sagte sie: „Weisst du, das macht nichts, Zino merkt, dass Grossvater und Grossmutter ihn und auch die Elfen und die Feen spüren, sonst würden wir gar nicht so gerne in diesem Garten wohnen.
Ich muss nun gehen, aber morgen und alle Ferientage können wir uns bei der Schaukel treffen; und bitte bring immer ein Eis mit oder besser zwei.“
Gabi winkte und verschwand.
Lotta rieb sich die Augen.
„Ob ich das alles nur geträumt habe?“
Sie ging zur Grossmutter und dachte gerade noch rechtzeitig daran, dass sie nichts erzählen durfte.
„Grossmami, ich habe Hunger „sagte sie stattdessen.
ENDE