Aber ein Mittel gibt es, das Ihnen immer Gehör verschafft: die Geschichte.
Heute sprechen wir über Mikro-Stories, ganz kurze Geschichten, Anekdoten oder Geschichtenschnipsel, die Nähe schaffen und für Ihr Anliegen Rückenwind machen.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen entspannt beim Frühstück. Draussen scheint die Sonne. Sie gönnen sich einen Schluck Kaffee und blättern in der Zeitung. Dort wirbt eine Bäckerei für ihre Brötchen. Die Anzeige zeigt leckeres Knuspergebäck:
«Mit unserer jahrelangen Erfahrung backen wir Brötchen in höchster Qualität und Frische.»
Tief berührt laufen Sie zum Bäcker und kaufen ein Brötchen.
Oder doch nicht?
Naja, denken Sie sich wohl: «So schreiben sie alle.»
Aber wenn die Tradition und der Handwerksstolz als Geschichte daher kämen? Das wäre ein ganz anderes Spiel:
«Donnerstag 4:00 morgens. Seit einer halben Stunde steht Bäckermeister Kuhn in seiner Backstube. Gutes Brot braucht Zeit. Croissants, Hefezopf, Bauernbrot: Um 6 Uhr duftet die ganze Strasse nach Kuhns Arbeit. Er klopft sich das Mehl von der Schürze und gönnt sich eine kurze Verschnaufpause: mit Milchkaffee und frischem Gipfeli.»
Solche kleinen Alltagsszenen ziehen uns in die Welt des Geschichtenerzählers. Unwillkürlich steigt uns der Duft frisch gebackenen Brots in die Nase. Das macht Appetit.
Kleine Geschichten, grosse Wirkung
Beim Mikro-Storytelling werden Texte mit Geschichten(-splittern) angereichert, die erlebbar machen, worum es geht. Statt etwas theoretisch zu erklären, holen Sie Ihre Leser:innen mitten ins Geschehen und lassen sie die Szene hautnah miterleben. Das weckt Emotionen und schlängelt sich elegant am Misstrauen vorbei: Weil die Leser:innen das Gesagte nicht analysieren, sondern als Kopfkino erleben. Und was man mit eignen Augen gesehen hat, das kann man doch wohl glauben.
Wenn Sie Mikro-Stories in Ihre Texte einbauen wollen, überlegen Sie sich:
- Von welchen konkreten Personen könnte ich erzählen?
- Welche realen Situationen bringen mein Thema auf den Punkt?
- Welche Sinne kann ich ansprechen, damit die Leser:innen das Geschehen hautnah erleben?
Je anschaulicher Ihre Mikro-Stories werden, desto ansprechender für Ihre Leser:innen.
Übrigens: In der Werbung ist diese Technik gang und gäbe.
Einfach und schnell
Mikro-Stories kommen ohne Einleitung oder Hintergrundinformationen aus.
Fangen Sie nicht so an: «Damit Sie das besser verstehen, möchte ich Ihnen eine Geschichte über meinen Freund Georg erzählen.» Springen sie direkt ins Geschehen und lassen Sie die Szene wirken. Konzentrieren Sie sich auf die kleine Anekdote, die Ihre Idee auf den Punkt bringt. Statt von den technischen Vorzügen des neuen Onlineshops zu berichten, schwärmen Sie von Oma Erna, die ihre Wolle online kauft, seit der Handarbeitsladen im Dorf dicht gemacht hat.
Beispiele
Ein Luftreiniger für Allergiker
«Mein Schulfreund Werner ist gegen ein Dutzend verschiedene Pollen allergisch. Wenn ich das Leben draussen geniesse, bleibt er oft drinnen, um den Pollen aus dem Weg zu gehen. Dafür liebt er seine Ferien doppelt: Einmal so wie Sie und ich, weil er einfach eine Auszeit nimmt. Und doppelt, weil er mit seinem Segelboot aufs Meer hinausfährt, wo es keine Pollen gibt.»
Das könnte gut zu einem Text über Luftreiniger für Allergiker passen.
Robert: Schreiner mit Herz
«Ich war schon als kleiner Junge ein richtiger Holzwurm. Statt für die Schule zu lernen, baute ich lieber Vogelhäuschen und Spielzeugautos in der Werkstatt meines Opas Bernhard. Seine Hobelbank steht heute noch in meiner 1-Mann-Tischlerei. Da baue ich mit Herz und Hand Objekte, die mich stolz und meine Kunden glücklich machen.»
Das würde gut auf die «Über mich»-Seite von Roberts Website passen.
Aber Achtung: Solche Geschichten müssen raffiniert gestrickt sein. Wer einfach etwas aus der Luft greift, um gute Stimmung zu machen, erreicht weniger als nichts, wie dieses Beispiel zeigt:
Zu plump: Cousin Paul ist keine Leuchte
«Mein Cousin Paul ist Installateur und oft bei Kunden zu Hause unterwegs. Letzten Winter hatte er ständig Ärger mit seinem Firmenwagen. Die alten Scheinwerfer beleuchteten die Strasse nur spärlich. Bei Regen oder Nebel konnte Paul oft die Hausnummern nicht erkennen. Er fürchtete schon um die Sicherheit. Durch die neuen LED-Scheinwerfer von LichtProfi kann er endlich wieder sicher durch die Dunkelheit fahren.»
Das durchschaut wohl jede:r.
Schritt für Schritt zur eigenen Mikro-Story
Wenn Sie Mikro-Stories für Ihre Texte verwenden möchten, folgen Sie am besten Ihrem Herzen.
Das braucht Übung. Die meisten Menschen machen sich zu gerade, sobald sie vor dem Computer sitzen. Daher habe ich ein paar Tipps als «Krücke» für Sie. Wenn Sie eine Weile geübt haben, können Sie die Krücken wegwerfen und einfach Ihrer Intuition vertrauen. Aber für die ersten Schritte hilft vielleicht diese Anleitung:
1. Ziel definieren
Überlegen Sie zuerst: Was soll die Mikro-Story bewirken?
- Vertrauen schaffen?
- Die Marke bekannt machen?
- Mitleid erzeugen?
- Neugierde wecken?
- Ein “like” provozieren?
Definieren Sie das Ziel genau. Je klarer Sie es festnageln, um so treffender wird Ihre Mikro-Story
2. Im echten Leben suchen
Sammeln Sie Geschichten. Die besten Geschichten werden nicht erfunden, sondern entdeckt. Was erzählen die Kolleginnen nach dem dritten Glas Wein auf dem Betriebsfest? (Nein, nicht den Ausflug von Klaus und Gabi in die Gartenlaube des Chefs, der bleibt privat.) Jede Firma hat ihre Heldengeschichten. Fragen Sie Mitarbeiter, blättern Sie in Fotoalben und alten Zeitungsberichten. Was erzählen die alten Hasen den Auszubildenden in der Frühstückspause? Das ist Material für Micro-Stories. Wählen Sie eine Story aus und überlegen Sie, welche Emotionen mitschwingen und welche Werte diese Geschichte zeigt.
3. Szene anschaulich schildern
Beschreiben Sie die Situation so konkret und sinnlich wie möglich. Holen Sie die Leser:innen mitten ins Geschehen. Schreiben Sie nicht nur für die Augen. Schreiben Sie auch wie es duftet, sich anfühlt oder schmeckt.
4. Kernbotschaft herausarbeiten
Kürzen Sie die Story auf ihren harten Kern. Streichen Sie alles Überflüssige. Jedes Wort, das nicht unverzichtbar ist, ist ein Wort zu viel. Das ist genauso wie bei Witzen. Die dürfen auch kein Wort zu viel haben. vergleichen Sie:
91 Wörter:
«Es war einmal eine verheiratete Frau, die ein paar Kilo zugenommen hatte. Als sie sich eines morgens in ihr Kleid zwängen will, fällt ihr auf, wie eng es sitzt. Sie wendet sich an ihren Mann und sagt: «Schau dir das mal an, Manfred. Es sieht ganz so aus, als ob der neue Trockner mein schönes rotes Kleid geschrumpft hätte.» Worauf Manfred nur kurz zu seiner Frau herüberschaut und dann ironisch lächelnd antwortet: «Das glaube ich nicht. Das wird wohl der Kühlschrank gewesen sein, aus dem du zu viele Kalorienbomben genascht hast.»
13 Wörter:
«Schatz, der Trockner hat mein Kleid geschrumpft.» «Stimmt nicht, das war der Kühlschrank.»
5. Wirkung testen und nachbessern
Testen Sie die Mikro-Story. Zeigen Sie sie Kollegen, Freunden oder Mitgliedern Ihrer Zielgruppe. Kommt die Geschichte gut an? Ist die Szene auch für Aussenstehende leicht verständlich? Ist sie kurz und kommt direkt zur Sache? Prima.
Woher ich meine Mikro-Stories hole
Ich benutze so gut wie immer wahre Begebenheiten. Das ist viel einfacher, als Geschichten künstlich zu konstruieren. Das «Konstruierte» merkt man den erfundenen Geschichten oft noch an. Bei echten Geschichten passt alles ganz natürlich zusammen, weil es sich ja genau so ereignet hat. Ausserdem sind die echten Geschichten ehrlicher. Damit fühle ich mich am wohlsten.
In einem meiner Blogartikel wollte ich erklären, dass ein Unternehmensblog dem Absatz hilft, weil er potenziellen Kunden die Produkte (Leistungen, Personen, Werte …) eines Unternehmens zeigt. Dabei kam mir die Idee, den Blog mit einem Schaufenster zu vergleichen. Und dann fiel mir ein, was mein Freund Georg (Inhaber eines Juweliergeschäfts in Frankfurt) mir mal erzählt hat. Im Blog las sich das so:
Mein Freund Georg hat ein Schmuckgeschäft. Eigentlich sollte er die Treuhandfirma seines Vaters übernehmen. Aber das war nichts für ihn.
In seinem Geschäft steht ein Tresor. Der ist so schwer, Georg musste einen Kran bestellen (und ein Statik-Gutachten anfertigen lassen), um ihn aufzustellen. Der Grossteil seines Schmucks lagert in diesem Tresor; nur eine kleine Auswahl glänzt im Schaufenster.
Aber neun von zehn Kunden kaufen ein Schmuckstück, das sie im Schaufenster gesehen haben. Mit anderen Worten: Was im Tresor steckt, verkauft sich nicht. Nur was im Schaufenster liegt, findet einen Kunden.
Ein paar Kleinigkeiten habe ich abgeändert. In Deutschland heissen die Treuhänder Steuerberater. Georgs Vater war kein Treuhänder, er war Steuerberater. Aber das hätten meine Schweizer Leser:innen nicht so gut verstanden. Alle anderen Details sind wahr. Wenn Sie in Frankfurt ein schönes Schmuckstück suchen, schreiben Sie mir. Dann gebe ich Ihnen die Adresse und sorge dafür, dass Sie im Laden einen leckeren Kaffee bekommen.
Jetzt sind Sie dran. Was ist Ihre Geschichte?
Zu guter Letzt: Helfen Sie uns und teilen Sie diesen Artikel in den sozialen Medien oder per E-Mail. Wir haben kaum Budget für Werbung und sind auf Empfehlungen angewiesen.
Danke.
Das wars für heute.
Herzliche Grüsse
Matthias Wiemeyer