Sie motiviert uns, etwas zum Gruppenwohl beizutragen – und sie lässt uns ständig prüfen, ob wir noch dazugehören.

Dank oder Lob sind Zeichen, dass man uns wertschätzt. Sie zeigen: Du gehörst dazu. Das erzeugt eine körperliche Reaktion – ein gutes Bauchgefühl. Es macht zufrieden, manchmal sogar glücklich.

Zweifel an der Geborgenheit in der Gruppe ist so belastend wie Todesangst. Aus gutem Grund: Für unsere Steinzeitvorfahren wäre der Ausschluss aus der Gruppe ein Todesurteil gewesen.

Deshalb ist Dank so mächtig. Und deshalb wird auf Führungsseminaren das Loben empfohlen.

In der Neuzeit wird gemogelt

Aber moderne Menschen wissen längst: Es gibt Manipulatoren, die Lob und Dank benutzen, um uns vor ihren Karren zu spannen. Für unser Wohl interessieren sie sich nicht. Sie haben nur ihren eigenen Vorteil im Blick.

In der Steinzeit konnten die Manipulatoren nicht einfach weiterziehen, wenn die Gruppe ihnen auf die Schliche kam. Aber heute kann man seine Kollegen systematisch in die Pfanne hauen und und alle paar Jahre woanders neu anfangen.

Deshalb brauchen wir zwei neue Fertigkeiten:

  • Zum Schutz: Unsere automatische Reaktion in Schach halten, wenn jemand uns zu manipulieren versucht.
  • Für die Gemeinschaft: Unsere echte Dankbarkeit so ausdrücken, dass sie wirklich ankommt.

Reflexe in Schach halten

Unser Körper reagiert sofort, wenn wir Lob oder Dank hören: Ein kleines Hochgefühl, vielleicht ein Lächeln, vielleicht der Impuls, dem anderen entgegenzukommen. Das ist ein Reflex. Wir entscheiden nicht, wie wir uns dabei fühlen. Das passiert automatisch – und diese Automatik kann missbraucht werden.

Bevor wir also antworten: «Danke für die Blumen. Kann ich dir irgendwie helfen?», machen wir eine winzigkleine Denkpause. Wir fragen uns kurz: «Ist das echt oder eine Finte?» Und dann erst machen wir den Mund auf, um etwas zu antworten. (Das ist ein grosses Thema für sich. Schauen Sie mal in meinen Artikel «Neinsagen für Anfänger». Da steht das alles detailliert.)

Das Echte erkennen

Wer es ehrlich meint mit seinem Dank, erzählt in der Regel eine kleine Geschichte. Vielleicht nur zwei Sätze. Aber diese Sätze zeigen uns, was in dem anderen abgelaufen ist:

Beispiel:

«Es war ja nur eine kleine Geste, aber als du mir eine Tasse Kaffee und ein paar Kekse gebracht hast, spürte ich plötzlich, dass ich mit meinem Elend nicht allein bin. Und dann fiel mir ein, mit welcher Schlagzeile unser neuer Gartenmöbelprospekt aufmachen soll.»

So spricht jemand, der berührt war. Der etwas erlebt hat – und es mitteilt.

Wenn der Chef frisch aus dem Führungsseminar zurückkommt, sondert er Lob im Dutzend billiger ab. Das klingt dann vielleicht so:

«Sie sind so ein kreativer Kopf, ich bin immer froh, dass Sie sich kümmern.»

Am wertvollsten ist das Lob von jemandem, der vom Fach ist und echt beeindruckt war. Jemand, der weiss, wie schwierig meine Aufgabe war. Der vielleicht selbst schon ähnliche Situationen erlebt hat – und die Höhen und Tiefen kennt, die dazugehören.

Wenn so jemand sich auf Augenhöhe mit uns auseinandersetzt und sagt:

«Hut ab. Ich habe schon viele Prospekte gesehen, aber der hier ist eine Klasse für sich.»

Das geht unter die Haut.

Echtes Lob und echter Dank: Rezepte

Ich hoffe sehr, dass niemand diese Tipps benutzt, um besser manipulieren zu können. Aber Sie, die Sie es ehrlich meinen, brauchen doch auch ein paar hilfreiche Ideen.

So könnte es gehen:

Jemand hat Ihnen geholfen. Sie möchten sich bedanken. Jetzt rufen Sie die Erinnerung an den Moment ab, in dem Sie die Hilfe erfahren haben. Tauchen Sie in den Moment ein, mit allen Details in Farbe, 3D und Dolby Surround. Und mit diesem multimedialen Eindruck im Kopf stellen Sie sich vor, Sie würden jemandem davon erzählen.

«Da sass ich also seit drei Stunden an meinem Rechner und mir wollte nichts Rechtes für die Titelseite einfallen. 15 Mal habe ich diesen Prospekt schon gestaltet, aber dieses Mal war mein Kopf völlig leer. Da steht plötzlich Maria vor meinem Schreibtisch, stellt mir einen Cappuccino und drei köstliche Haferkekse hin und sagt einfach ‹Ich glaube, das brauchst du jetzt.› Und plötzlich stieg dieses warme Gefühl in mir auf, dass doch nicht alles hoffnungslos ist. Und siehe da: Kaum hatte ich die Hälfte des zweiten Haferkekses geknabbert, kam mir die Idee, mit der ich drei Stunden lang Verstecken gespielt hatte.»

Das ist das Rezept. Kein Baukastensystem. Keine «richtigen» oder «falschen» Formulierungen. Einfach eine Mitschrift dessen, was Sie empfunden haben.

Diese Gedanken können Sie erzählen, während Sie Maria einen Cappuccino bringen. Oder in ein E-Mail schreiben. Oder auf eine Dankeskarte.

Da ist das ganze Geheimnis. Und wenn Sie ein Chef oder eine Chefin sind, die ihre Mitarbeiter:innen anerkennt und Dank ausspricht, wo er hingehört, können Sie es genauso machen. Und wenn Sie ein mieser Manipulator sind, hoffe ich, dass Ihr Opfer seine Reflexe im Griff hat.

Zu guter Letzt: Helfen Sie uns und teilen Sie diesen Artikel in den sozialen Medien oder per E-Mail. Wir haben kaum Budget für Werbung und sind auf Empfehlungen angewiesen.

Danke.

Das wars für heute.

wiemeyer matthias rund

Herzliche Grüsse
Matthias Wiemeyer