Schuhmacher Hämmerlis goldene Stiefel
Wie Zino, Schuhmacher Hämmerli, und Max, der Zauberer, den bösen König Rudolf vertreiben.
Heinz Ruch
Schuhmacher Hämmerlis goldene Stiefel
Zino sitzt in seiner Werkstatt und hämmert einem Schuh, den er gerade fertig macht, die Sohle. Seine Frau Gabi kommt herein und sagt: “Zino, das Essen ist fertig.”
“Ja, Gabi, ich komme gleich. Ich will nur noch diesen Schuh fertigmachen. Weisst du Gabi, auch wenn ich ein Zwerg bin, kann ich ein guter Schuhmacher sein. Und das neue Schild draussen über der Tür “Schuhmacher Hämmerli” ist doch so schön”, freut sich Zino.
“Ja Zino, das bist du; sogar der beste Schuhmacher weit und breit. Und ich bin ein Glückskind, weil ich dich habe. Und Schuhmacher Hämmerli tönt wirklich gut”, lacht Gabi.
“Ja, ein Glückskind bist du, das stimmt. Du bringst mir Glück. Ich muss neues Leder einkaufen gehen. Du kennst dich so gut aus mit Leder. Kommst du mit auf den Markt heute Nachmittag? “, fragt Zino.
“Ja natürlich, da komme ich gerne. Gutes Leder ist wichtig für die Schuhe. Aber ich habe gesehen, du brauchst auch Schuhcreme. Die ist bald aufgebraucht”, sagt Gabi. “Aber komm jetzt essen. Es wird sonst kalt.”
Schuhmacher Hämmerli, wie sich Zino jetzt nennt, ist zufrieden. Er hat den Schuh fertig. Er sieht genau so schön aus wie der andere, den er vorher gemacht hat.
“Sind die nicht schön?”, strahlt er. “Ah, dass ich’s nicht vergesse: Schuhbändel muss ich auch noch kaufen. Jetzt gehen wir essen.”
Als Zino und Gabi am Abend vom Markt heimkommen, mit all dem Leder, den Schuhcremen, den Bändeln und vielen andren Sachen, sind sie ganz aufgeregt.
“Das ist ja fürchterlich: Ein fremder König hat das Schloss überfallen!”, ruft Zino.
“Es sei ein besonders böser König, hat mir der Metzger gesagt”, sagt Gabi.
“Rudolf heisse er”, weiss Zino. “Und er habe König Karl und alle seine Leute ins Gefängnis gesperrt!”
“König Karl ist doch so ein Lieber. Alle haben ihn gern. Was wird jetzt wohl werden?”, fragt Gabi.
Es klopft und Benno, der Baumelf, und Wilma, die Waldfee, kommen herein.
“Das ist ja fürchterlich, was wir gehört haben”, sagt Wilma.
“Ja, was soll jetzt mit den Leuten in der Stadt werden?”, fragt Benno.
“Das haben wir uns auch schon gefragt. Hast du keine Idee, Wilma? Du hast doch immer einen guten Rat”, meint Zino.
“Hm”, macht Wilma und schweigt einen Moment. “Da ist guter Rat wirklich teuer. Ich weiss nicht, was ich sagen soll.”
In diesem Moment klopft es an das Fenster. Zino öffnet es. Draussen steht ein Mann.
“Ich bin Peter, der Oberdiener vom grossen König Rudolf”, sagt er.
“Komm doch rein”, sagt Zino.
“Ein gewöhnliches Haus betrete ich nicht. Ich habe einen Auftrag von König Rudolf. Er will, dass du ihm bis morgen Abend um Mitternacht goldene Stiefel machst. Das ist ein Befehl, und wenn du das nicht schaffst, musst du und deine Frau für tausend Jahre ins Gefängnis!”, ruft Peter, der Diener, streng und macht kehrt und geht weg.
“Aber ich habe doch kein goldenes Leder!” stöhnt Zino.
In der Werkstatt herrscht jetzt Aufregung. Zino jammert: “Ach Gabi, jetzt müssen wir für tausend Jahre ins Gefängnis. Was sollen wir tun, Wilma?”
“Ich weiss es wirklich nicht, Zino”, sagt sie bekümmert.
“Da kann nur Max, der Zauberer, helfen”, meint Benno. “Ich gehe und hole ihn.”
Es geht eine Weile, eigentlich gar nicht lange, und Benno kommt mit Max zurück.
“Benno hat mir erzählt, was vorgefallen ist”, sagt Max.” Ich habe sofort alle meine Zauberbücher eingepackt und will jetzt die Sache studieren. Wartet einen Augenblick. Ich gehe in die Küche, denn ich muss allein sein. "
Er geht und die Vier stehen in der Werkstatt und warten. Benno berichtet: “Ich habe erfahren, dass es den Leuten in der Stadt nicht gut geht. Sie müssen hohe Steuern bezahlen und viele werden ins Gefängnis geworfen. König Rudolf ist richtig brutal.”
“Oh je, dann werden wir auch noch ins Gefängnis kommen”, jammert Gabi.
“Warte nur ab, Max weiss bestimmt einen Rat”, sagt Benno.
Und es dauert nicht lange und der Zauberer kommt wieder in die Werkstatt.
“So, jetzt habe ich herausgefunden, was zu tun ist”, verkündet er. “Zino, du musst heute vor Mitternacht beim Bauer hinter dem dunklen Wald das Leder holen. Es ist ein besonders Gutes. Dann musst du im Wald beim Silbersee, wenn der Mond sich im Wasser spiegelt, das Leder in das Wasser tauchen und es durch und durch nass werden lassen. Jetzt geh, denn der Weg ist lang und es ist schon dunkel.”
Und Zino macht sich auf den Weg. Gabi ruft ihm nach: “Pass auf, Zino! Besonders im dunklen Wald!”
Am Morgen kommt Zino müde heim.
“Hat es geklappt?”, fragt Gabi aufgeregt.
“Ja, schau”, sagt Zino, “das Leder ist wirklich golden geworden. Jetzt muss ich mich aber sputen. Es ist schon bald Mittag, und ich bin ja so müde. Es war ein langer Weg und schon ein bisschen gefährlich im dunklen Wald ‒ Angst habe ich ein wenig gehabt. Aber ich habe an dich gedacht und will nicht, dass du tausend Jahre ins Gefängnis musst. Der Bauer hat mir das Leder sofort gegeben, und ich bin dann so schnell ich laufen konnte zum Silbersee gerannt. Ich bin gerade rechtzeitig hingekommen. Der Mond spiegelte sich noch im See und ich habe das Leder ins Wasser getaucht. Dann hat es gebrodelt und ich glaubte, es würde mich ins Wasser ziehen. Als das Leder ganz nass war, habe ich es herausgezogen und im Mondlicht hat es ganz goldig geglänzt. Jetzt muss ich aber an die Arbeit und die Stiefel herstellen. Ich sollte weniger reden und mehr arbeiten.”
“Mach nur Zino. Ich bringe dir etwas zu essen. Ist dir ein Sandwich recht?”, fragt Gabi.
“Ja, ja, das ist gut. Ich habe keine Zeit für längeres Essen”, erklärt er. “Ich beginne das Leder zuzuschneiden. Ob ich bis Mitternacht fertig werde, weiss ich nicht.”
Benno, Wilma und Max sind gekommen und wollen wissen, ob Zino fertig sei.
“Jetzt ist schon bald Mitternacht und ich habe erst einen Stiefel fertig. Ich habe Angst, dass ich nicht fertig werde. Und zwischendurch bin ich noch kurz eingeschlafen. Ich bin so müde, ohhh”, jammert Zino.
“Du schaffst es”, sagt Max. “Ich kann dir helfen. Gib mir den fertigen Stiefel und den Rest des Leders. So, jetzt: Abrakadabra schwupp die wupp, Stiefelus und Lederbus abrakadabra fertig ist die Nuss.”
“Schau mal!”, ruft Gabi. “Zino, die Stiefel sind fertig. Warum hast du, Max, jetzt dieses Pulver in die Schuhe geschüttet?”
Max schaut sie lächelnd an und sagt: “Das sind besondere Stiefel, Gabi.”
Pünktlich um Mitternacht klopft Diener Peter ans Fenster. “Sind die Stiefel fertig?”, fragt er streng.
“Ja, hier hast du sie”, sagt Zino. “Sie kosten hundert Dinar.”
“Ha, König Rudolf zahlt nie etwas! Werde nicht frech, Schuhmacher, sonst kommst du ins Gefängnis!”, ruft Peter und macht sich davon.
“Das ist jetzt auch egal, dass er nicht zahlt. Wenigstens müssen wir nicht für tausend Jahre ins Gefängnis”, meint Gabi.
“Danke Max und auch euch, Benno und Wilma. Jetzt bin ich aber müde zum umfallen”, sagt Zino.
“Oh Zino, wir sind doch Freunde und helfen einander und müde sind wir alle. Darum schlafen wir alle gleich hier”, entscheidet Max und im Handumdrehen stehen Betten in der Werkstatt und die Fünf gehen schlafen.
Es ist Morgen geworden, die Sonne scheint durch das Fenster. Gabi ist erwacht.
“He, Zino, hörst du das?”, fragt sie und schüttelt ihn an der Achsel.
“Was ist? Ah, es ist schon Morgen. Was ist das für ein Lärm?”, fragt er und steht auf, geht ans Fenster und ruft: “Kommt alle mal her! Seht euch das an!”
Gabi, Wilma, Benno und Max treten zu ihm und schauen aus dem Fenster.
“Das ist ja König Rudolf in seinen goldenen Stiefeln ‒ wie die glänzen! Und sein Gefolge mit all seinen Soldaten laufen hinter ihm schnurgerade aus der Stadt. Und jetzt kommen die Leute aus der Stadt und jubeln. Auch König Karl kommt. Seht! Er ist frei ‒ sie haben ihn befreit! König Rudolf ist jetzt verschwunden!” ruft Gabi ganz aufgeregt.
“Ja”, sagt Max, “Zino wir haben es geschafft. Mit deinen Stiefeln haben wir König Rudolf besiegt und vertrieben. Es sind Zauberstiefel. Jeder der sie einmal anzieht, muss laufen und laufen, kann gar nicht mehr aufhören zu laufen und alle seine Leute müssen ihm folgen.”
“Dann war es ein Zauberpulver, das du in die Stiefel gestreut hast”, sagt Gabi leise zu Max.
Er lächelt und nickt.
Jetzt wird es in der ganzen Stadt bekannt, dass Schuhmacher Hämmerlis Stiefel und Zauberer Maxens Pulver den bösen König Rudolf vertrieben haben. König Karl kommt zu Zino.
“Du bist Schuhmacher Hämmerli?”, fragt er.
“Ja, Herr König”, sagt Zino.
“Du sollst der Königshofschuhmacher werden. Alle meine Schuhe wirst du jetzt fortan machen. Aber goldene Stiefel darfst du nie mehr herstellen. Das verbiete ich dir”, lacht der König.
“Das werde ich auch nicht mehr”, lächelt Zino und der Zauberer nickt.
“Und du Zauberer Max”, fährt der König fort, “sollst der Hofmagier werden und von nun an mir beistehen in allen schwierigen Fragen.”
Jetzt veranstaltet König Karl ein grosses Fest. Die Leute der Stadt feiern bis in die späte Nacht. Und die fünf Freunde sind glücklich.
ENDE