Ich bin stark - das ist kein Quark!
Ein Junge wird mutig und glücklich dank der Hilfe seiner sechs Freunde aus dem tiefen Wald. Der schlaue Plan von Karl dem König hilft ihm dabei. Nun erzählt euch Gabi das Glückskind die ganze Geschichte…
Regina Hürlimann
Ich bin stark - das ist kein Quark!
Hallo - ciao - salut - merhaba - hola! Ich bin Gabi, das Glückskind. Ich bringe allen Kindern dieser Welt Glück – ich bin ein Glücksbringer.
Eines Tages reiste ich nach Afrika. Ich nahm eine grosse Tube Sonnencrème mit, denn wie ihr seht, habe ich eine sehr helle Haut, die ich vor der heissen Afrikasonne schützen muss. Ich besuchte in Afrika ein Mädchen. Sie sass alleine bei einem Wasserloch in der Nähe des Urwalds und spielte mit einer Kokosnuss. Plötzlich sah sie einen Löwen. Er gähnte laut und lange, so dass sie all seine spitzen Zähne zählen konnte. Das machte ihr Angst und sie wagte nicht mehr, sich zu bewegen.
So liess ich meinen Freund, den Papagei, vor den Augen des Löwen hin und her fliegen und rufen: „Putz dir mal wieder die Zähne, alter Löwe!“ Das lenkte ihn ab und das Mädchen konnte schnell wieder in ihr Dorf zurück rennen.
Ich war auch schon am Nordpol. Dort war es eiskalt. Zum Glück sind die Eisbären nicht über mich gestolpert, denn dank meines roten Hutes haben sie mich gesehen im weissen Eis und Schnee. Am Nordpol half ich einem unglücklichen Jungen. Er lebte in einem Iglu und fischte täglich. Seit Tagen jedoch biss kein Fisch mehr an. Ausser einem alten Stiefel zog er nichts aus dem Wasser. Den Grund entdeckte ich schnell. Täglich fuhr morgens ein Eisbrecher durch die Gegend und alle Fische versteckten sich. So flüsterte ich dem Jungen leise ins Ohr, er soll abends fischen gehen, dann hätte er mehr Glück. So machte er es und brachte wieder viele Fische nach Hause.
In der Schweiz bin ich auch manchmal. Am Fusse eines Berges im dichten Wald leben Freunde von mir, der König Karl, der Magier Max, der Zwerg Zino, der Baumelf Benno und Wilma, die Waldfee. Psst, seid mal ganz still, vielleicht hört ihr das Rauschen der Tannen, das Zwitschern eines Vogels oder das Plätschern des Baches und vielleicht riecht ihr das feuchte Moos oder sogar Blumen. Mitten im Wald steht schon seit neunzig Jahren eine hohe Tanne. Bei der Wurzel unten ist sie ausgehöhlt. Dort drin leben meine Freunde. Sie freuen sich über Kinder, die im Wald spielen.
Vor ein paar Wochen haben wir etwas Spannendes erlebt, das möchte ich euch nun erzählen.
Jannik geht in den Kindergarten. Er ist in der Gruppe der Schmetterlinge, das heisst bei den Grossen. Immer am ersten Tag der Woche geht die ganze Klasse mit Frau Vogel in den Wald, egal, ob es regnet, schneit oder die Sonne scheint. Meine Freunde und ich kennen die Kindergärtner, denn sie spielen meist in der Nähe unseres Baumes. Dort machen sie ein Feuer und essen Bratwurst. Zino ist sehr mutig. Weil er so klein ist, traut er sich ganz nah zu den Kindern und beobachtet genau wie sie Verstecken spielen. Er möchte so gerne mitspielen, aber weil er ein kleiner Zwerg ist, sehen die Kinder ihn nicht.
Eines Tages kam Zino traurig zurück. Er hatte beobachtet, dass ein Junge nie mit den anderen Kindern mitspielt und nur auf einer Wurzel sitzt und wartet. Er hörte, wie Frau Vogel zu ihm sagte: „Jannik, spiel doch mit den anderen mit, trau dich.“ Aber Jannik hatte Angst im Wald und Freunde hatte er im Kindergarten auch nicht. Er ist schüchtern und fürchtet sich, wenn die Kinder wild herumrennen und sich gegenseitig schubsen. Anderseits möchte er auch so mutig sein und auf liegende Baumstämme klettern und über den Bach springen. Er schämt sich, weil er das nicht kann, ihm fehlt der Mut und so fühlt er sich unglücklich. Drei Kinder in der Klasse hätte er gerne als Freunde, Ashab, Nina und Benni. Doch Jannik traut sich nicht, mit ihnen zu spielen. Zino wollte, dass wir alle Jannik helfen. Karl ist unser König im Wald. Er ist sehr klug und hat immer gute Ideen. So strich er sich nachdenklich über die goldene Krone und erzählte uns seine Idee. „Guter Plan!“, riefen wir gemeinsam. Als wir die Kinder in der nächsten Woche wieder lachen hörten, schlichen Benno der Baumelf und Wilma die Waldfee zu den Kindern. Die beiden können so leise sein wie ein Schmetterling im Wind. Vorsichtig setzten sie sich links und rechts auf Janniks Schultern. Jannik erschrak ein bisschen, er dachte, dass eine Ameise auf ihm herumkrabbelt und wollte sie mit der Hand weg streichen. „Halt!“, rief Benno sofort in Janniks Ohr, „lass Wilma frei“. Jannik schaute in seine Hand, dort zappelte Wilma. Sie rief ganz aufgeregt: „Jannik, wir sind deine Freunde und wollen dir helfen!“ Jannik schaute auf den Waldboden und entdeckte meinen roten Hut mit den weissen Punkten. Dann sah er Zino, der einen Salto rückwärts machte vor Freude und das Glänzen der Krone unseres Königs. Jannik rieb sich die Augen: „Ist das wahr oder träume ich?“ Max der Magier zauberte sich Sterne auf sein Kleid und rief Jannik zu: „Komm, lass uns Verstecken spielen!“ Jannik ist unsicher, aber Karl begann zu zählen: „Eins, zwei, drei…. ich komme!“ Unser König hatte es nicht einfach, uns zu finden. Er suchte hinter der Tanne, unter dem Busch, auf dem Stein, bis er hinter dem Gebüsch Jannik entdeckte. Dieser half ihm dann, uns alle zu finden. Er war eine grosse Hilfe, denn er kannte jedes Versteck im Wald, weil er die Kinder immer beobachtete. Auch ich wurde gefunden. Ich versteckte mich hinter einer Büchse Coca Cola, die jemand liegen gelassen hatte. Karl der König lobte Jannik, denn ohne ihn hätte er uns alle nicht so schnell gefunden. Das machte Jannik stolz und er fühlte sich plötzlich viel stärker. „Siehst du, Junge“, fuhr Karl fort, „es macht Spass, miteinander zu spielen, herum zu rennen und zu klettern. Du musst einfach mutiger sein. Wenn du Angst hast, sag dir einfach: „Ich bin stark, das ist kein Quark!“ Dann wirst du dich trauen. Als Belohnung bekommst du von Gabi jeweils einen weissen Punkt zum Sammeln.“ Der Magier Max zauberte noch ein schönes Schächtelchen für Jannik, damit er darin die Punkte sammeln konnte.
Als Jannik die Woche darauf wieder mit seiner Klasse und Frau Vogel in den Wald kam, erinnerte er sich an seine Freunde im Wald und fasste in die Hosentasche, wo sein Schächtelchen lag. Die Kinder spielten Verstecken und Jannik sagte sich: „Ich bin stark, das ist kein Quark“ und traute sich, mitzuspielen. Nach dem Versteckspiel sah er Ashab, Benni und Nina unter einer Tanne Fussballbildchen tauschen. Ohne viel nachzudenken, ging er auf sie zu und zeigte ihnen seine Bildchen, die er auch zum Tausch anbot. Was glaubt ihr, was passiert ist? - Ja, in Janniks Schächtelchen lagen bereits zwei weisse Punkte. Er freute sich, denn die vier Kinder waren nun unzertrennliche Freunde geworden.
Das war die Geschichte von Jannik aus der Schweiz. Heute habe ich erfahren, dass ein Kind in Amerika dringend Glück braucht. Meine Freunde wollen mich dieses Mal begleiten. Sie möchten auch etwas von der grossen, weiten Welt sehen. Wir steigen ins Flugmobil „Milanus“, das uns Max hergezaubert hat und rufen Jannik zu: „Wir wünschen dir viel Glück und Mut!“ Jannik winkt uns, er sitzt nicht mehr allein auf der Wurzel, sondern zwischen Benni und Ashab. Zufrieden steigen wir ins Flugmobil und fliegen los. Vorne sitzt Karl der König auf einem goldenen Thron, dahinter Zino der Zwerg mit einem Fernglas vor dem Auge, dann kam Benno der Baumelf und Wilma die Waldfee, beide mit einem Schokoladeneis in der Hand, zuhinterst sitzen Max der Magier und ich das Glückskind. Ich drehe mich noch einmal um, sehe wie der Wald immer kleiner wird und schliesslich ganz verschwindet. Ich freue mich und rufe glücklich: „Amerika, wir kommen!“
ENDE