Die verschwundenen Königskinder
Wie der Zwerg Zino der grosse Retter der Königskinder und somit des Königreichs Karlenstein wird.
Yvonne Ineichen
Die verschwundenen Königskinder
Heute ist ein Glückstag für Gabi Glückskind. Mittwochs darf Gabi mit Wilma und Benno immer zu Onkel Karl aufs Schloss. „Jetzt sitz doch mal still, damit ich deinen Pilzhut säubern kann. Der ist ganz schmutzig. Du solltest nicht immer so im Wald herumstreunen" nörgelt Wilma. “Das gehört sich einfach nicht, schon gar nicht für eine Prinze…”.
In diesem Moment zwickt Benno sie in die Seite.
“Autsch, warum zwickst du mich?“
“Du weisst genau, dass du das Wort mit „P“ nicht sagen sollst. Du weisst nie, wo die Gnome überall sind.“
„Ach, Benno. Sei doch nicht immer so überängstlich. Die Gnome waren schon lange nicht mehr hier. Sie haben uns bestimmt schon vergessen. Schliesslich haben sie ja was sie wollten.
Da wird Gabi neugierig.
„Was wollten sie denn?“
„Nichts, Gabilein, nichts. Und jetzt genug geplaudert! Die Sonne scheint und wir wollen uns bald auf den Weg machen. Onkel Karl wartet im Schloss schon auf uns.“
Also machen sie sich zu dritt auf den Weg zum Schloss. Zu Gabis grosser Freude ist auch Zino, der Zwerg zu Besuch. Der König weiss schliesslich, dass Gabi Glückskind gerne mit ihm spielt. Und Zino ist für jeden Blödsinn zu haben. Die zwei hecken wieder unzählige Streiche aus und viel zu schnell ist der Nachmittag vorbei. Am frühen Abend verabschieden sich alle vom König und Wilma und Benno machen sich mit Gabi auf den Heimweg.
Benno hat ein eigenartiges Gefühl im Bauch. Sie kommen in den Wald. Er sieht sich um. Rechts, links, rauf, runter. Und auf einmal fällt er in eine Grube. Wilma erschrickt und will ihm helfen. Für einen kurzen Augenblick lassen sie Gabi Glückskind aus den Augen.
„Hilfeeee!!!“ schreit Gabi.
Auf einmal sind da überall dunkle Gestalten. Sie packen Gabi in einen grossen Sack und so schnell wie sie gekommen sind, sind sie auch wieder weg. Gabi strampelt und wehrt sich. Aber es hilft alles nichts. Wilma rennt im Wald umher.
„Gabi, Gabi. Wo bist du!“ Wilma ist völlig verzweifelt. Was soll sie jetzt tun? Benno, sie muss Benno retten.„Verflixt und zugenäht! Das waren die Gnome! Und du hast heute morgen noch gesagt, dass die nicht mehr auftauchen! Jetzt haben wir den Salat!“
„Wie sagen wir das bloss dem König“ jammert Wilma.
Die beiden machen sich auf zum Schloss. Als ob der König etwas geahnt hätte, steht er auch schon da.
„Wo ist Gabi Glückskind?“ poltert er.
„Weg! Sie haben sie entführt. Sie haben eine Grube gegraben und Benno ist hinein gestürzt. Und als ich ihm raushelfen wollte, haben sie Gabi eingepackt!“
“Das darf doch nicht wahr sein! Ich habe Gabi verzaubern lassen. Max hat ihr einen Fliegenpilzhut aufgesetzt. Nur, damit niemand merkt, dass sie eine Prinzessin ist. Ich habe sie zu euch gegeben. Damit sie unbeschwert aufwachsen kann. Und jetzt das! Woher wissen die Gnome, dass Gabi eine Prinzessin ist? Woher wissen sie, dass Gabi meine Tochter ist? Woher? Woher? Jetzt haben sie nicht nur meinen Sohn. Nein, jetzt haben sie auch noch meine Tochter. Ich bin am Ende. Ich habe keinen Thronfolger und keine Thronfolgerin. Die Gnome werden das Königreich einnehmen. Nein, das geht nicht.“
Traurig setzt sich der König auf die Treppenstufen und beginnt ganz bitterlich zu weinen.
„Wir müssen sie suchen. Wir rufen alle deinen Untertanen zusammen und durchkämmen den Wald. So weit können sie doch noch nicht sein!“ schlägt Benno vor.“
“Aber das bringt doch nichts,“ sagt der König.
„Wir haben damals, als mein Sohn verschwunden ist, auch den ganzen Wald abgesucht und … Nichts. Einfach nichts. Die Gnome müssen irgendwo unterirdisch leben. Wir haben keine Chance. Ich kann nicht mehr. Ich will sterben.“
„Keine Zeit zum Sterben. Keine Zeit. Ich …. schnauf, schnauf, weiss, japs, japs, wo sie mit Gabi Glückskind hin sind.“ Zino kommt ins Schloss gestürmt. An Zino hatte keiner mehr gedacht. Und niemandem ist aufgefallen, dass auch er weg war. „Ich bin euch vorhin heimlich gefolgt” wendet er sich an Wilma und Benno. “Ich habe mit Gabi ausgemacht, dass wir im Wald noch ein bisschen weiterspielen, wenn ihr euer Nickerchen macht. Und als die Gnome euch die Falle gestellt haben, habe ich mich in einer Baumhöhle versteckt. Und dann … bin ich ihnen gefolgt. Ich weiss, wo Gabi ist. Aber Max, Magier Max. Ich brauche einen Trank, der mich stark und mutig macht. Dann werde ich Gabi befreien. Nachts, wenn die Gnome schlafen. Kannst du uns helfen?“
“Ich werde all meine Zauberkünste anwenden und für Zino den zauberigsten Zaubertrank aller Zauberzeiten mischen, damit er so stark wird wie zehn Elefanten, schnell wie zwanzig Leoparde und schlau wie alle Füchse dieser Welt zusammen. Zino, komm bei Einbruch der Dunkelheit zu mir. Und bis dahin, ruh dich aus!“
Max der Magier verschwindet in seiner Zauberkammer. Man hört nur ein Rumpeln und das leise Murmeln von Zaubersprüchen „Hokusbokus Elefantus, Bokushokusleopardus, Aberacadabera, 777 Füchse sind da.“ Und dann ein lauter Knall!
“Ohjeh!“ König Karl wirkt besorgt “Mir schwant nichts gutes. Hoffentlich lebt Max noch!“ Da geht auch schon die Türe zur Zauberkammer auf. Max steht da. Der Hut sitzt ganz schief auf dem russig, schwarzen Kopf. Aber er strahlt.
„Heureka! Es ist geglückt! Zum ersten Mal in meinem Leben ist mir der Zaubertrank geglückt!“
Zino kommt hereingestürmt. „Max, sag mir, was ich jetzt tun soll!“
„Du nimmst jetzt einfach einen Schluck von diesem Trank. Dann bist du unbesiegbar. Für 3 Stunden. Dann verliert der Zaubertrank seine Wirkung! Und, ich gebe dir noch eine andere Flasche mit. Davon träufelst du den Gnomen etwas ins Gesicht. Von den Dämpfen werden sie innerhalb von zwei Sekunden ganz schläfrig!“. Zino tut, was ihm der Magier befohlen hat. Und dann macht er sich auf den Weg. Der König organisiert in der Zwischenzeit seine Wachen. Zino hat dem König den Weg aufgezeichnet. Das Heer soll in einer Stunde nachkommen. Zino hat sich die Strecke ganz genau eingeprägt. Und schon steht er vor der Höhle, die mit einem grossen Stein versperrt ist. Wenn er doch nur das Zauberwort wüsste. Er versucht alles mögliche, nichts scheint zu funktionieren - der Stein bewegt sich kein Stück. Da hat er plötzlich einen Geistesblitz. Was haben die Gnome doch gleich gerufen als sie Gabi entführt haben?
„Königreich Karlenstein. Wird bald unseres sein!“
Kaum hat er diese Worte ausgerufen hört er ein Rumpeln, die Erde bebt und der Stein schiebt sich zur Seite. Zino erschrickt. Es hat geklappt. „Hoffentlich wachen jetzt die Gnome nicht auf. Wo ist Gabi denn bloss? Wo kann sie sein. Ah, da ist ja schon eine Wache. Die schläft. Ein Tropfen von Max Tinktur. Alle anderen auch. Da noch ein Tröpflein. Jaja, geniesst euren Schlaf. Ihr könnt mir nichts anhaben.“ Zino bemerkt, dass er mit sich selber spricht. „Das ging ja alles wie geschmiert. Die müssen sich wirklich sicher fühlen. Und da ist ja schon ein Kerker. Ob Gabi da wohl drin ist?“
Zino nähert sich der vergitterten Türe. „Gabi, Gabi. Bist du da?“
“Zino, Zino. Wie hast du mich gefunden? Ich habe solche Angst. Ich habe so gehofft, dass ihr mich findet. Aber ich bin nicht alleine! Da ist noch jemand. Er heisst Karlchen. Und sitzt schon seit vielen Jahren in dem Kerker. Er sagt, er sei der Sohn vom König. Und wurde von den Gnomen gefangen genommen. Er hat mich beschützt! Zino, kannst du uns raushelfen?“.
Zino schaut sich die vergitterte Türe an. „Geht beide zur Seite. Ich schaue, ob ich die Türe rammen kann.“
„Zino, das schaffst du doch nie! Die ist viel zu dick!“
„Doch, Gabi. Max hat mir einen Zaubertrank gemixt. Und jetzt wollen wir doch mal sehen, wozu der alte Max noch fähig ist. Die Wachen habe ich auf jeden Fall schon alle beseitigt.“
Zino nimmt Anlauf und rennt auf die grosse, schwere Tür zu. Die zersplittert, als ob sie aus dünnem Sperrholz wäre. Gabi fällt Zino in die Arme. Und da steht … Tatsächlich steht er da. Zino traut seinen Augen nicht. Das ist der Sohn vom König.
Von unten ertönen auf einmal laute Stimmen. „Was ist da oben los! Wache! Wache! Meldet euch!“
Die drei schrecken zusammen. „Nichts wie weg!“ schreit Zino. „Wenn wir erst mal draussen sind, können sie uns nichts mehr anhaben.“
Sie rennen um ihr Leben. In letzter Sekunde schaffen sie es aus der Höhle. Und da stehen die zwei schnellsten Pferde des Königs gesattelt bereit. Sie schwingen sich auf die Sättel und donnern durch den Wald zum Schloss. Von der üblen Schlacht, die sich in der Höhle abspielt, bekommen sie zum Glück nichts mit.
König Karl, Benno und Wilma warten schon ungeduldig. Auf einmal hören sie das Geräusch von Pferdehufen. „Was, wenn Zino alleine kommt?“ fragt Wilma. Und da fliegt auch schon die Tür zum Schloss auf. Der König traut seinen Augen nicht. „Vater, Vater!“ Karlchen stürmt auf den König zu. „Gabi, Gabi hat mich gerettet. Wenn sie Gabi nicht gefangen hätten, hättet ihr mich nie gefunden.“
“Nein, nicht ich. Zino hat uns gerettet. Er ist unser Held.“ Es herrscht ein wirres Freudengeschrei. Nach langer, langer Zeit beruhigen sich die Gemüter. Der König erzählt Gabi die wahre Geschichte.
„Gabi du bist als kleines Mädchen von Max dem Magier verzaubert worden. Damit niemand merkt, dass du die Königstochter bist. Aber jetzt, wo die Gnome besiegt sind kannst du doch wieder zu uns nach Hause kommen. “ Gabi schaut zu Benno und Wilma. Sie sieht, dass die beiden traurig sind. „Vater. Ich bin sehr gerne im Schloss. Aber, Benno und Wilma haben sich so gut um mich gekümmert. Können wir das Baumhaus von Benno und Wilma in den Schlosspark zügeln? Dann kann ich bei ihnen wohnen und habe euch trotzdem in meiner Nähe. Und Karlchen und Zino auch.“ Klar, dass der König diesen Wunsch nicht abschlagen wollte. Und seither steht im Schlosspark dieses knorrige, alte Baumhaus. Sogar jetzt, wo Karlchen König ist, steht es noch da. Und jedem, der es hören will, erzählt er die unglaubliche Geschichte.
ENDE