Der verwunschene Wunsch

Ein erfüllter Wunsch vergiftet nur zu oft die Seele. Karl muss dies bitter erfahren; sein Weg zu seinem Königreich ist steinig. Begleiten wir ihn, beginnend in einem grossen tiefen Wald.

Matthias Klotz

Der verwunschene Wunsch

  • Ein König bin ich, ein König will ich sein!

Karl wimmert leise und flucht es laut. Er sitzt vor seinem Waldhaus

im tiefen Wald. Karl hadert, er hadert seit jeher. Karl hadert immer. Beeren sammeln, Wasser aus dem Brunnen holen, Bären jagen; das Dach seiner Hütte rinnt. Das ist doch kein Leben. Er ist als König geboren, das weiss er ganz genau.

  • Wann merken die anderen endlich, dass ich ein wahrer König bin?

Zino, der Zwerg, kriecht aus seiner Höhle hervor.

  • Guten Morgen Karl. Wieder am jammern? Siehst du nicht, dass die Sonne scheint, dass der Tag schön wird?

Karl dreht sich grimmig zu ihm.

  • Guten Morgen Zino. Recht hast du, doch dies ändert nichts: Ich bin ein König.

Da ruft es von den nahen Bäumen her.

  • Ein König des Waldes, ja das bist du!

Benno, der Baumelf, lacht und winkt aus dem Stamm einer knorrigen alten Eiche.

  • Du solltest dich glücklich schätzen, kannst dich frei bewegen, bist nicht eingeschlossen in Rinde und Borke, kein Käfer kriecht über deine Nase. Zufrieden solltest du sein!

Zino nickt und meint mit ruhiger Stimme.

  • Recht hat Benno, schau mich an: Lebe in einem Erdloch bei Kälte und Nässe. Du hast ein feines Haus.

Karl wendet sich ab, will den zwei gar nicht zuhören.

  • Ach, seid still. Ihr könnt meinen Kummer nicht verstehen. Mir steht ein Schloss zu, eine Königin, Untertanen und grosse Ländereien. Ein guter König wäre ich dem Volke.

Aus einer Tanne, von ganz hoch oben, tönt es mit leiser starker Stimme

  • Deinen Kummer verstehe ich gut, helfen will ich dir. Bedenke aber, lieber Karl, König zu sein ist nicht einfach.

Es erscheint Wilma, die Waldfee. Sie geht geraden Schrittes auf Karl zu.

  • Einen Wunsch hast du frei. Überlege ihn gut, denn ein Wunsch hat seine Kraft oft nur, solange er nicht erfüllt ist. Nur zu oft vergiftet ein erfüllter Wunsch die Seele.

Karls Augen leuchten.

  • Gift? Dass ich nicht lache! Meinen Wunsch will ich leben, er soll sich erfüllen. König will ich sein!

Karl schreit es in den Wald, und ehe er sich versieht, sitzt er auf dem Thron in einem grossen Schloss. Diener, die ihm dienen. Berater, die ihn beraten. Hofdamen, die ihm dem Hof machen. Ein riesiges Reich mit unzähligen Untertanen steht ihm zu Füssen.

  • Endlich.

Karl der König seufzt zufrieden. Sofort macht er sich ans regieren. Viel Arbeit steht an: Das Land ist verrucht, die Leute leben in grossem Misstrauen untereinander. Karl regiert mit Bedacht, seine Anweisungen sind weise. Doch die Untertanen kümmert dies wenig. Sie sprechen zwar bei Karl vor, holen sich seinen Rat, doch befolgen diesen nur, wenn der Ratschlag ihnen Geld und Ruhm verspricht. Gesetze zum Wohle Aller will niemand befolgen.

Karl erkennt mit Wehmut, dass die Untertanen ihn anlügen, die Berater intrigieren, die Diener ihm Wichtiges vorenthalten. Die Hofdamen hintergehen ihn alle, wollen nur Königin werden. Karl, der ein guter König sein will, wird krank ob all dieser Missgunst. Er fiebert, sein Puls rast, der Schlaf unruhig.

  • Ein erfüllter Wunsch kann Gift sein. Ein Wunsch birgt seine Kraft solange er nicht erfüllt ist.

Karl murmelt die Warnungen der Waldfee im Halbschlaf, er muss sich eingestehen: Recht hat sie. Der unerfüllte Wunsch gab ihm Energie, solange er nicht erfüllt war. Dumm war er, dass er alle seine Kraft in Hader und Missmut steckte, dass er die Kraft nicht für Schönes nutzte. Karl will wieder in den Wald zu seinem geliebten Haus. Zu Benno und Zino. Doch die Waldfee ist nicht hier, nie wird er zurückkehren können. Traurig und allein schleicht er durch sein Schloss, verbittert sucht er sich einen einsamen Winkel im tiefen Keller. Er schlurft einen langen Gang entlang, will sich am Ende in der Dunkelheit verstecken, dort seinem Leben ein Ende machen.

Doch der Gang mündet zu seiner Überraschung in einer hellen Kammer. Der Raum ist voll mit viel Trödel und Gerümpel. Es brennen Kerzen und Fackeln. Steine die glitzern liegen am Boden und Becher mit rauchenden Flüssigkeiten stehen auf kleinen Tischen.

  • Besuch vom König, da staun ich aber.

Max der Magier empfängt heiter Karl in seiner Zauberkammer.

  • Womit kann ich dienen eure Majestät?

Karl erstaunt über die Freundlichkeit von Max berichtet er ihm sein ganzes Leid.

  • König zu sein ist nicht einfach, ich kann dich gut verstehen, ich kann dir auch helfen, lieber Karl. Sag, soll ich dich wieder in deinen geliebten Wald zaubern?

Karl schaute ihn mit Tränen in den Augen an.

  • Da wäre ich dir sehr dankbar, lieber Max.

Ein lauter Knall, ein Blitz, und Karl sitzt vor seinem Waldhaus auf dem Boden. Im Boden eigentlich, eingeklemmt in einem Erdloch.

  • Heee, was soll das! Hau ab aus meiner Höhle!!

Tönt es von unten her.

  • Zino!!!! Ich bin wieder hier, ich bin es Karl.

Karl befreit sich aus dem Loch, aus dem gleich auch Zino hervorkriecht. Die beiden umarmen sich fest, und auch Benno, der Baumelf, freut sich gross über die Rückkehr von Karl. Am Abend, bei feinem Mahl feiern sie die Rückkehr. Karl erzählt seinen Freunden über seine Zeit als König, wie schwierig es war, wie er den Wald und seine Freunde vermisste.

Tags darauf, Karl sitzt vor seinem Waldhaus und geniesst die Morgensonne. Da kommt eine junge Frau des Weges. Ihre Haare schwarz und lang, das Gesicht hell und fröhlich, die Augen gross und neugierig schauend.

  • Gabi Glückskind, so heisse ich. Hallo! Wer bist denn du?

Gabi sitzt keck neben Karl auf die Holzbank und schaut ihn mit fragenden Augen an.

  • Ich bin Karl, wohne hier im Waldhaus.

Sagt Karl mit ruhiger Stimme.

  • Ein Waldmensch? Dann hast du aber ein grosses Reich, den Wald ist unendlich weit. Und mit all den Tieren drin? Schaust du zu denen?

Kar schaut sie überrascht und bedächtig an, überlegt lange und nickt dann mit dem Kopf.

  • Das will ich gerne tun.

Gabi rutscht ein bisschen näher an ihn heran und flüstert ihm leise ins Ohr.

  • Dann bist du der König des Waldes. Ich werde hier bei dir bleiben, dir helfen, dein Reich aufzubauen.

Karl lächelt zufrieden und gemeinsam geniessen die beiden die Morgensonne.

ENDE