Von Matthias Wiemeyer 26. Januar 2010
In diesem Wettbewerb ging es um Gedichte, Begebenheiten und Kurzgeschichten zum Thema “Schreiben”. Die Gewinnertexte wurden auf Postkarten gedruckt und als Hauptpreis gab es einen wertvollen Füllfederhalter.
Die Gewinner/-innen
1. Marc Hermann | Zweidimensional | |
2. Daniel Buess | Befehl | |
3. Gabi Buchwalder | blattblutleer |
Finalist/-innen (Ränge 4-10, alphabetisch):
Brigitte Baumann-Merz | Federkratzen | |
Andrea Engler | Schreiben | |
Alexandra Lavizzari | Briefverkehr | |
Romie Lie | Bitte | |
Stefan Roduner | Der Liebesbrief | |
Silvie Sax | ich-du-wir | |
Cornelia Studer | Das Gesetz des Schreibens | |
Margrit Weber |
Annäherung |
Die Jury
Ruth B. Loosli (Schriftstellerin, Lyrikerin, Deutschlehrerin),
Simon Froehling (schreibt hauptsächlich Lyrik und fürs Theater),
Lea Gottheil (Schriftstellerin und Buchhändlerin),>
Werner Rohner (schreibt Lyrik, Prosa, Theaterstücke)
Die Texte
ZWEIDIMENSIONAL
hier ist alles aus papier
der spiegel und im spiegel die hände
die ein weisses gesicht verstecken vor dir
alles aus papier
der regenschirm in der ecke
der löwe die musik das klavier
papier auch das fenster und im fenster
mondlicht und wolkengetier
alles aus papier liebe und leben lassen sich zerknüllen oder anzünden hier
ist alles aus-
gedacht
Befehl
Im Dezember, wenn die Sonne kaum noch die untersten Drähte der Strommasten erreicht, wird die Welt am hellichten Tag etwas unheimlich.
Pfosten, Häuser und Bäume werfen Schatten, die sich endlos lang und spindeldünn über die Landschaft legen. Schwarze Fäden, Gerüste und Gerippe, schwankende Abbilder der Realität, Schemen. Doch der eigene Schatten ist der schlimmste. Er drängt sich überall vor. Man kann ihn nicht beiseite schieben. Wo man auch hingeht, er kommt heraus wie der Geist aus dem Ofenloch und läuft einem hinterher, wenn nicht sogar voraus.
Beim Überqueren einer Dorfstrasse sehe ich mich von einer riesenhaften Gestalt verfolgt. Schräg und schwarz ragt sie auf den sonnenbeglänzten Asphalt hinaus, und mit einem wilden Hin- und Herschwanken ihres winzigen Köpfchens, das zu einer fernen Signalkelle wird, krümmt sie sich über die ganze Strassenbreite. Schreib es auf! Schreib es auf! ruft sie mir zu. Ich werde dir die Hucke vollhauen, wenn du’s nicht tust
Blatblutleer
Ich liege da weiss ausgestreckt
und wart bis mich ein Mann entdeckt.
Weil dermassen blattblutleer
brauch ich den Herrn mit Tinte sehr.
Wie gut bin ich statt rezikliert
chlorgebleicht und unbeschmiert.
Denn obschon jungfräulich, hat
man es schwer als gräulich Blatt.
Durch meine Reinheit angelockt
erscheint ein Kerl und dieser hockt
sich nieder, grabscht mich an,
auf dass er mich beschreiben kann.
Er spannt und zwingt mich auf die Rolle,
fragt mich nicht, ob ich das wolle.
Ich, geschlagen, farbverbandelt
und mit trocknem Schwarz verschandelt?!
Nein, beim heil’gen Tintenkiller,
dies will ich nicht als Seitenfüller!
Weil, für Treffertext und Wortezier
brauch ich Liquides tief in mir.
Drum lass ich diesen Dilettanten
alle meine Blattrandkanten
spüren bis er unvermutet
an seinem Mittelfinger blutet.
Doch nur ein Tropf vom roten Saft
es bis in meine Fasern schafft.
Dafür werd ich flugs ausgespannt,
zerknüllt, beschimpft und dann verbrannt.
FEDERKRATZEN
einstweilen gab es
federkratzen über weissem feld
mühsam lockende spuren
hervorgelockt aus mir
handfest ziehende tintengedanken
unterbrochen von königsblauen
klecksern
heute sind
meine heimlich verbrieften schwüre
windende bandwürmer geworden
dessen länge keiner mehr misst
weil ich sie in die flimmerkiste
mit dem stahlgraublauen apfel
entsorge
Das Gesetz des Schreibens
§ 1a
Worte falten das Papier zu Türmen und zu Schiffen
und zu allerlei Getier.
§ 1b
Sätze machen flache Blätter plastisch,
formen tausendfach Gestalt.
§ 2 a
Worte zaubern Scherenschnitte,
schneiden filigrane Arabesken ins Papier,
transparent für Licht und Phantasie.
§ 2 b
Sätze sind Schere und sind Klinge,
die ihre scharfen Schnitte ziehen.
§ 3 a
Worte schminken Farbe aufs Papier,
lassen Bilder Augen fangen,
gleich auf den aller ersten Blick.
§ 3 b
Sätze in schlichtem Tintenschwarz
geben tausend andre Farben frei,
jenem der sie liest.
Der Liebesbrief….
Vom jungen Mann hin, bis zum Greis,
ein Liebesbrief ist der Beweis,
wenn er zur spitzen Feder greift,
die grosse Liebe in ihm reift.
Das Herze pocht ganz laut und schnell,
die Träume werden bunt und hell,
die Liebste wird zum Elixir,
ihr Kuss schmeckt besser als das Bier!
Sie ist das einzige was zählt,
ihn nur nach ihr der Hunger quält.
Wenn du so liebst, dann nimm den Stift,
und schreib mit schöner, saubrer Schrift,
deiner Braut die liebsten Worte,
solche von romantscher Sorte.
Musst kein Genie sein, nicht studiert,
schreib einfach los, ganz ungeniert.
So n’Brief echt jede Frau umhaut,
und wenn sie nah am Wasser gebaut,
dann wird der Brief bald nass und schwer,
dafür liebt sie dich umso mehr!
Komm greif zum Stift, sie wird sich freuen,
du wirst es sicher nicht bereuen!
Er wirkt, ich bleibe fest dabei,
wie eine kleine Zauberei!
Schreiben:
Die Amsel drosselte den Fink
ein Link für das Schreiben
ich will es nicht übertreiben
aus Wörter werden Mörder
Leben entstehen und vergehen
aber heiter schreibe ich weiter
Vor Tod und Teufel mache ich nicht halt
über den Rücken läuft es kalt
Hühnerhaut hin oder her
das Schreiben gibt viel her
Der Specht findet es gar nicht schlecht
der Schreiber ist zwar ein Übertreiber
denkt der Kleiber
aber gerne lese ich weiter auf der Feuerwehrleiter
Rate der Ratte, mausere Dich
schreib endlich ein Gedicht!
Briefverkehr
wir lieben uns zwischen den zeilen
dort kann uns keiner ertappen
weich sind die wörter
auf die wir uns betten
in büttenlaken liegen wir
gehüllt und tauschen
silbenküsse
lesen uns nacht für nacht
BITTE
merkur
gott der schrift und
der schiffe
führe mich
gegen den strom
zur quelle
leihe mir
dann
deine geflügelten füsse